Herrn Klammerles Unlust, sich zu bewegen (siehe hier) ist nicht die einzige Baustelle seiner rührend um ihn besorgten Frau. Sie hält es auch für dringend notwendig, ihn gesünder zu ernähren. Das sollte bei bei einem Vegetarier nicht allzu schwierig sein, aber ich bin nun einmal ein erklärter Feind von Sellerie, Brokkoli, roten Rüben, nichtssagendem Zuccini oder Sauerkraut und neige eher fettem Käse, Pizza und Nudelgerichten zu. Und so lautet der Beschluss, dass ich mehr Gemüse essen muss, wenn ich nach meiner Fastenkur wieder fit werden soll.
Imvorletzten Sommer (ja, Kinder, solch eine Jahreszeit hat es früher mal gegeben) hatte Frau Klammer einige Erfolge mit im Hochbeet selbstgezüchtetem Rotem Mangold (Beta vulgaris – für den Biologen in der Familie, Ihr wisst schon – der, der jetzt wieder unter unserem Dach wohnt). Diesen versteckte sie dezent in der Lasagne oder vermengte ihn mit Gnocci und Sahne, bis er nicht weiter ins Gewicht fiel . Die Stängel – die kann man essen, wenn man sie blanchiert – fanden dann noch in einer Quiche Verwendung. Darum sollten auch im Jahr wieder ein paar Mangold-Pflänzchen in unser luftiges Gemüsehochbeet, Platz war ja vorhanden, nachdem die Kohlraben verzehrt (Dank an HD, dem auch diese Satzkonstruktion ohne Hilfszeitwort gewidmet).
Beim Bummel über den Stadtmarkt erwarb ich also ein paar zarte, aber robust überteuerte Pflänzchen, die die studentische Gemüsehändleraushilfskraft (im weiteren stud. Ghahk genannt, das klingt schön klingonisch) mit charmantem Lächeln und den Worten anpries: „Das müsste eigentlich unser weißer Mangold sein.“
Was denn sonst?, dachte ich, immer bereit, einer hübschen, wenngleich etwas hilflosen stud. Ghahk Glauben zu schenken und da sie zudem die einzige war, die mir auf dem ganzen Markt Mangold verkaufen wollte, erwarb ich die letzten Pflänzchen in der Auslage bei der stud. Ghahk. Ich hätte misstrauisch sein sollen, als sie beim Umwickeln des Mangolds mit Zeitungspapier merklich unsicher wirkte und immer wieder nach ihrem Chef Ausschau hielt, der sich aber – wahrscheinlich aus gutem Grund – nicht sehen und seine ein wenig überforderte stud. Ghahk, die er sicher nicht aufgrund ihrer botanischen Fähigkeiten einstellte, allein werkeln ließ.
Ich kam gut mit unseren teuren neuen Pflänzchen ins Dorf zurück, gab ihnen eine neue Heimat oben im Hochbeet und unter Frau Klammerles Pflege und Düngergaben wuchs der Mangold schnell an. Dann kam der Große Regen und mit ihm die gemeine spanische Nacktschnecke (Arion vulgaris, Herr Biologe!). Doch unter großen Opfern (der Pflücksalat und die Brotzeitgurke) und mit großzügigem Einsatz von scharfen Gegenständen, einem Salzstreuer und Schneckenkorn gelang es uns, zumindest den teuer erworbenen Mangold zu retten, der sich auch dankbar weiterentwickelte, Blätter bildete und an Höhe gewann.
Wie groß war aber mein Erstaunen, als sich an jedem der Gemüsepflanzen ein Blütentrieb bildete. Da ich Panaroma von Tom Robbins gelesen habe, weiß ich zwar, dass Mangold blühen kann, aber ein prüfender Blick in Wikipedia zeigte mir: Dies geschieht erst im zweiten Lebensjahr der Pflanze und mein Mangold war eindeutig aus dieser Saison. So schloss ich messerscharf: Das ist gar kein Mangold, den mir die liebreizende stud. Ghahk da verkauft hat!
Aber was ist es dann?
(An dieser Stelle sollte der Leser der atemlosen Spannung wegen kurz innehalten, sich vielleicht einen beruhigenden Kräutertee aufgießen oder den Hund Gassi führen …)
Ich habe es herausgefunden – niemand muss in bangem Zweifel und brennender Ungeduld seine Bettruhe opfern oder mir Beistands-Emails schicken (obwohl – den einen oder anderen Kommentar hätte ich schon gerne):
Bei meinem “Mangold” handelt es sich um – Trommelwirbel – Pok Choi (Brassica rapa chinensis, Biologe, bla, bla), auch Senfkohl genannt, ein Verwandter des Chinakohls. Poc Choi ist eine Gemüsepflanze, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte, denn Thailand oder die Volksrepublik gehören nicht zu meinen bevorzugten Reisezielen. Bei feuchtem, warmem Wetter bildet die rasch wachsende Pflanze schnell Blüten aus. Und jetzt kommt’s.
Poc Choi wird in der Küche gerne als Spinat- oder Mangoldersatz verwendet. Er ist, was die Schwarzwurzel (auch ein Gemüse, das ich hasse) für den Spargel ist: Er sieht ähnlich aus, schmeckt aber nicht so gut. Was ihn von dem Spargel für Geizige unterscheidet – Poc Choi ist viel teurer als das Original.
Aber heute Abend gibt es erst einmal ein thailändisches Gemüse-Curry mit Poc Choi; am nächsten Freitag werde ich meiner freundlichen stud. Ghahk mal einen Besuch abstatten, vielleicht schaffe ich es diesmal, richtigen Mangold von ihr zu bekommen.
Wenn nicht – auch egal.
Eine Antwort auf „Der Mangold-Affäre erster Teil“
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