Hatte ich doch – der eine erinnert sich vielleicht noch an gestern, der anderen nutze eifrig diesen Link – zu tief in die grünen Augen einer studentischen Gemüsehändleraushilfskraft geblickt und mich mal wieder von einer gespielten Unschuld um den Finger wickeln lassen. Ich erwarb bei der stud. Ghahk im Stadtmarkt ein paar maßlos überteuerte Pflänzchen und ein freundliches Lächeln obendrauf, trug beides zufrieden nach Hause. Aus diesem Grund wuchs in unserem überseekoffergroßen Hochbeet (das habe ich selbst gebaut) statt Mangold eine mir vorher völlig unbekannte Gemüsepflanze, die der Kenner als Poc Choi zu schätzen weiß.
Nun bin ich kein Kenner und eigentlich auch kein Freund der fernöstlichen Küche, zumindest der Variante, die mir hierzulande im Chinarestaurant vorgesetzt wird. Mir schmeckte der nahe Verwandte des Chinakohls, der sich am besten bei feuchtwarmem Klima im Gewächshaus entwickelt, einfach nicht. Ich fand kein Rezept, das seinen faden, metallischen Geschmack verbarg. (Sogar einer großzügigen Beigabe von Sambal Oelek konnte er sich widersetzen). Auch Frau Klammerle brachte dem gerade in den letzten zwei Tropenwochen wie Wahlplakate im Hochbeet (eigenhändig von mir entworfen und errichtet) wuchernden Kraut erhebliches Misstrauen entgegen. Jedes Mal, wenn das Gepräch auf den Poc Choi kam, sah sie mich mit einem merkwürdig resignierten Blick von der Seite an, in dem ich deutlich das Wort: “Männer!” mit einem dicken Ausrufezeichen dahinter lesen stand.
Wenig später nun, während ich ermattet darüber nachdachte, ob ich nicht den kühlen Keller aufräumen und mein Arbeitszimmer in ihm einrichten sollte, was auch den Vorteil hätte, dass die Eisvorräte und die kalten Getränke griffbereit, nahm meine geliebte Ehefrau sich ein Herz. Der stehenden Hitze, die wie eine staubige Glocke über dem Garten lag, und der bissigen Bremsen tapfer trotzend, säuberte sie das Hochbeet (habe ich eigentlich schon erwähnt, wer es erbaute …?) von der Poc Choi-Plage. Er bekam von ihr eine neue Wohnstätte gleich nebenan im Kompostbehälter zugewiesen. Die dort ansässigen großen Weinbergschnecken, alle von mir im Garten gepflückt und dort ausgewildert (*), freuten sich über diese exotische Änderung ihres Speiseplans und essen jetzt Chinesisch.
Unter den großen Blättern des Poc Choi fristeten auch einige andere Gemüsepflanzen ein beschattetes, leicht kümmerliches und unbeachtetes Dasein, das nun plötzlich wieder ans Tageslicht geriet. Unter anderem fand sich ein vergessener Radiccio, einige Kohlraben (demnächst wieder auf dem Speiseplan) und der rote Mangold, den Frau Klammerle nachgekauft hatte. Der sah jedoch reichlich seltsam aus.
Dazu müssen wir zurück in die Vergangenheit, in den verregneten, endlosen Juni, als mein Versagen beim Gemüsepflanzenkauf ruchbar wurde. Frau Klammerle schüttelte den Kopf:
“Dich kann man schicken! Dazu rennt man doch nicht nach Augsburg auf den Stadtmarkt! In Gessertshausen ist der Mühlenladen! Da kauft man das Gemüse – regional und bio.” Kleiner Seufzer.
“Aber die haben doch gerade keinen Mangold …”
“Die im Stadtmarkt offensichtlich auch nicht.” Mittelgroßer Seufzer.
“Aber wie sollte ich wissen …”
“Schnickschnack! Das nehme ich jetzt in die Hand!” Großer Seufzer.
Und dann fuhr Frau Klammerle zum nächsten Dehner, dem großen Rentner-Aldi für den Gartenbedarf; kam tatsächlich nach geraumer Zeit zufrieden mit sechs Pflänzchen in einer Schale zurück: es war dreimal weißer Mangold und dreimal roter. Stolz setzte sie die zarten Gemüsetriebe ins Hochbeet (… also ich habe das wirklich selbst gemacht, mit meinen eigenen Händen und einem Akkubohrer).
Hier erreicht die Spannung wieder einen Höhepunkt, aber bei den Temperaturen rate ich, schnell weiter zu lesen, weil sonst ein Hitzeschlag wegen der Erregung droht. Der geneigte Leser ahnt es bereits: Bei mir wuchs wieder kein Mangold, zumindest der rote nicht:
Haben Sie’s erkannt? Im Herbst gibt es in Abwandlung des Heun’schen Rezeptes bei uns Rote-Beete-Carpaccio …
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* Nein, Herr Heun. Wir essen auch keine Schnecken.