Alle vierzehn Tage liegt ein kostenloses Werbeblatt in meinem Briefkasten. Der Schwabe nennt es liebevoll sein “Käsbläddle”. Es will ein “Lokaljournal” für Diedorf und Horgau sein und bringt auf zwanzig Seiten 12 Seiten mit Kleinanzeigen und Werbung von örtlichen Firmen, dazu kommen Veranstaltungshinweise von Vereinen, Kirchen und Parteien und ein winziger redaktioneller Teil, der mit großformatigen Fotos, auf denen sich der Bürgermeister oder der Landrat nach vorne drängeln, Spatenstiche oder Jubiläen abhandelt. Und genau dieser Abschnitt ist der Grund, aus dem ich das unverlangte Heftchen, dessen Austräger meinen “Bitte keine Werbung”-Aufkleber ignoriert, nicht sofort zum Altpapier geben, sondern immer wieder und immer wieder gerne konsumiere.
Am meisten angetan hat es mir dabei der Polizeibericht, der in kurzen Artikeln von den schweren Verbrechen berichtet, die in Diedorf und Umgebung so geschehen. In der Regel sind das Unfälle mit Fahrerflucht oder kleinere Diebstähle. Ich zitiere einen Satz aus dem “Lokaljournal” vom 6. März. Es empfiehlt sich, ihn sich laut vorzusprechen und dabei auch die durchaus kreative Zeichensetzung zu genießen:
“Am Freitag, den 13.02.2015, zwischen 6 Uhr und 15 Uhr, fuhr ein Unbekannter, mehrere der dunkelgrauen Metallpfosten, welche auf dem Fußweg vor dem Anwesen Ulmer Str. 8, gegenüber der Einmündung nach Rommelsried stehen und miteinander durch eine Kette verbunden sind, an.”
Da lacht mein Herz und ich fühle sich in die 6. Klasse zurückversetzt, als der Lehrer den “Bericht” als literarische Form einführte, dessen Regeln in dem obigen Beispiel wie Legobausteine aufeinander gestapelt wurden: Wann, wo, wer, was, wie? Dass der Autor sich um Nüchtern- und Klarheit im Ausdruck bemüht, trotzdem nicht unerwähnt lässt, dass die Metallpfosten “dunkelgrau” und mit einer Kette verbunden sind, macht ihn symphatisch. Schön auch, wie der angehende Polizeireporter-Voluntär die Grammatikregel beachtet, einen eingefügten Nebensatz immer direkt ans Subjekt zu kleben und ihn nach einem Komma mit dem Verb abzuschließen – in diesem Fall mit einem Verbteil. Das arme, verwaiste, den Tränen nahe an ist von seinem fuhr tatsächlich dreißig endlose Wörter entfernt. Zu solchen Satzungetümen, deren abschließendes Wort den Leser wie ein Pistolenschuss in den Bauch treffen, neigen jedoch auch viele Übersetzer, die zwar ein Gefühl für Grammatik, aber keines für einen eleganten Satzbau haben.
Deshalb geht der Bock des Monats März an den hart mit den Tücken der Deutschen Sprache ringenden unbekannten Reporter des “Lokaljournals”. Er erhält ihn nicht für seine unverdrossenen, aber leider erfolglosen Versuche, einen vernüftigen Satz zustande zu bringen, sondern dafür, dass er mir alle zwei Wochen ein glückliches Lächeln auf die Lippen zaubert.