„Rallenta, rallenta. Piano, amicus pelegrinus. Deo gratias“, sprach er in einer wirren und seltsam singenden Mischung aus Französisch und Latein auf mich ein. Mit meinem Hustenanfall verging auch das Gefühl der traumhaften Unwirklichkeit, auch wenn der vor mir kauernde Mann einer anderen Welt entsprungen schien oder besser gesagt – einer anderen Zeit. Denn mein Retter trug über einer leichten Lederrüstung und einem Waffenrock einen schmutzigen, einstmals weißen Überwurf, den ich zuerst für die Tracht eines Palästinensers gehalten hatte. Aber auf dem dünnen Stück Stoff prangte ein großes rotes Kreuz. Dieser Mann war doch tatsächlich wie ein Tempelritter gekleidet! War mein Retter geisteskrank oder wurde in der Nähe ein Kreuzfahrerfilm gedreht? Die Ausstattung sah erstaunlich echt und lange getragen aus. Ich richtete mich nur selbst auf und packte mit beiden Händen den Schlauch des Templers, trank so lange in gierigen Schlucken, bis er den nun fast leeren Lederbehälter mit sanfter Gewalt wieder an sich nahm.
Er hatte die ganze Zeit in seinem kaum verständlichen Kauderwelsch auf mich eingeredet, schwieg aber nun und schätzte meine Kleidung ebenso neugierig ab, wie ich ihn musterte. Er hatte ein offenes, von der Sonne verbranntes Gesicht mit erstaunlich hellen, durchsichtigen Augen und trug einen unordentlichen roten, bereits mit grauen Haaren vermischten Vollbart. Sein Haupt verbarg er unter einer Art Palästinensertuch, das um einen spitzen Helm gewunden war. ‘Das ist ein Sarazenenhelm’, fiel mir ein. Ich hatte so etwas wie auch die restliche Kleidung des Ritters schon so häufig auf Abbildungen gesehen, dass mir seine Kleidung nicht so fremd schien wie ihm offenbar die meine.
Er deutete auf mich und sagte etwas, in dem mir nur die Wörter Outremer, Tedeschos und – faszinierend – Sala ad-din, also ‘Saladin’, einigermaßen verständlich waren. Dann schlug er mit einer großen Geste auf das rote Kreuz auf seiner Brust.
„Io nome est Siere Ludger de Cloterny, io son le Maestre da Rocco Akkon…“ Es war mir nicht möglich, mehr als nur ein paar Brocken seines vernuschelten Dialekts zu verstehen, der mir nach einer halbgaren Mischung aus den verschiedensten romanischen Sprachen und einem späten Küchenlatein klang. Ich war auch nicht in der Verfassung, mich meiner lateinischen und italienischen Sprachkenntnisse zu besinnen. So war das einzige, was ich aus dem Wortschwall heraushörte, dass sich mein Retter „Ludgar“ nannte und damit seiner Kreuzrittertour treu blieb. Ich antwortete ihm auf deutsch, während er mir unter die Schulter griff und mir aufhalf, nannte ihm meinen Namen und bedankte mich für die Rettung. Verblüffend – sofort wechselte der Mann ebenfalls ins Deutsche und damit war mir klar, dass ich durchaus nicht im Zeitalter von Richard Löwenherz gelandet war. Trotzdem, ein Unbehagen blieb und er blieb standhaft bei seiner Geschichte:
„Das erklärt einiges“, sagte er, „ihr seid aus dem Reich. Kamt ihr mit Friedrich Rotbart ins Outremer gezogen? Der Herr sei seiner Seele gnädig. Et expecto resurrectionem mortuorum, et vitam venturi saeculi. Amen.“
aus: “Aber ein Traum”, Kapitel 4
Wilfried Westphal
Richard Löwenherz und Saladin
Arbeitslektüre: Wie aus dem obigen Zitat ersichtlich, spielt ein Teil des 4. und 5. Kapitels von “Aber ein Traum” im Palästina des 13. Jahrhunderts, das durch den von Papst Gregor VIII. ausgelösten Dritten Kreuzzug dominiert wurde, der zum einen die arabische Herrschaft über diesen umstrittenen Landstrich festschrieb, zum anderen den Christen eine Hintertür offenließ.
Die berühmten und gleichermaßen blutrünstigen, dabei verklärt legendären Kontrahenten Saladin und Löwenherz dominierten diesen Kreuzzug und ihre Geschichte wird in diesem sehr populärwissenschaftlichen Buch des Bonner Autoren ausgebreitet.
Westphals durchaus streitbare und dabei diskussionsbedürftige These lautet gegen alle politische Korrektheit, dass die Christen durchaus ein Recht hatten, Krieg im Hl. Land zu führen, da es in ihnen schon seit 1000 Jahren christliche Königreiche und Städte gab und die Ayyubiden unter Saladin die eigentlichen Eindringlinge waren.
Thorbecke, 2006
(Jokers-Remitte)
Peter Tremayne
Die Pforten des Todes
Die im 7. Jahrhundert in Irland spielenden Krimis um die neunmalkluge und emanzipierte – inzwischen ehemalige – Nonne Fidelma, die als Schwester eines Regionalkönigs und Rechtsgelehrte in klassischer Sherlock-Holmes-Manier unerhörte Verbrechen löst, haben einen hohen Suchtfaktor.
Leider schwankt die Qualität der Romane stark und es ermüdet, in jedem Band erneut zu lesen, wie überlegen Irlands Kultur und Rechtwesen damals war, dass es den Frauen volle Gleichberechtigung einräumte. Selbst der Atheist will nicht in jedem Krimi eine Abhandlung darüber, wie dumm das Zölibat ist und welch ein intriganter und ignoranter Haufen Idioten die Granden der katholische Kirche sind (Sie beweisen es gerade wieder selbst)!
Das mag zwar historisch alles richtig sein, schließlich ist ‘Tremayne’ das Pseudonym eines Historikers, aber den an sich gut konstruierten Kriminalfällen schadet es.
atb, 2013