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“Feenliebe” – Leseprobe Teil 2

… und sogleich folgt der zweite Streich.

Vergnügen ist garantiert! Lieber Leser, vergiss aber über dem Lachen und Nachdenken nicht, dass Autoren nicht allein von Luft und Liebe leben können, auch wenn sie sich alle Mühe geben. Ab und an benötigen sie auch einen kleinen stützenden Beitrag in pekunärer Form. Wenn dir also die Leseprobe gefällt – dann kauf das Buch, herrgottsakerzementnoamal!

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»Großknecht, wenn die Not am größten, ist dir Gott am nächsten. Die Kirche fiel mir ein. Wer geht schon freiwillig an einem normalen Wochentag in eine finstere und, wenn du es dir recht überlegst, ziemlich ungemütliche Kirche? Folglich konnte ich zwischen den hohen grauen Säulen und dunklen Bänken mit den abgegriffenen Liederbüchern eine geraume Weile die notwendige Ruhe für völlig damische Überlegungen finden – so sehe ich das wenigstens heute. Vielleicht nach Hamburg zum Hafen entfliehen, auf einem Schiff als Leichtmatrose nach Amerika abdampfen und irgendwann mit einem Haufen Dollars im Hosensack heimkehren, um mir ein Verzeihen teuer zu erkaufen … Und die Nachbarin, deren Mann sich sicherlich vor Kummer in Bier und Schnaps ersoffen hat, zu ehelichen, wieder ehrbar zu machen.

Ich schlich mich tatsächlich in die Kirche, versteckte mich und die Wucht meiner Verfehlungen vor dem Bildnis des heiligen Antonius. Meine Augen brannten, dennoch keine Tränen, nur blinde Ohnmacht. Großknecht, in meiner Verzweiflung dachte ich sogar an Freitod … aber in einem Chorgestühl? Mein leerer Blick heftete sich auf die Falten im Gewand des gütigen Heiligen, füllte sich mit der Hoffnung auf die Macht eines flehentlichen Gebetes um ein Wunder. Ein Gebet und vielleicht noch die Kraft einer brennenden Kerze. Zehn Pfennige für ein Kerzenopfer hatte ich gerade noch in der Tasche.

Ich betete: „Heiliger Antonius, hilf mir aus dieser Not, und ich entsage auf immer allen Weibern!“

Ich wartete auf irgendeine Antwort. Nichts, kein Widerhall. Antonius ließ mich in meinem Elend einfach verrecken. Oder? Vielleicht musste ich eindringlicher bitten: „Ich schwöre dir, heiliger Antonius, findest du eine Lösung, bewahrst du den Frieden zwischen den mir liebsten Menschen, weihe ich dir mein Leben und werde Priester. Amen!“

Fee-ausschnitt2Das war es, Großknecht. Auf einmal überkam mich eine große, vom Himmel gesandte Ruhe und mit erhobenem Haupt ging ich heim, mich seiner, meines Schutzheiligen, Entscheidung zu stellen. Zuhause herrschte eine merkwürdige Unruhe, die aber anscheinend mit mir nichts zu schaffen hatte. Obwohl es mit meiner vorgezeigten Sicherheit auf der Stelle vorbei war, als ich hinter der verschlossenen Küchentür die greinende Stimme unseres Nachbarn vernahm, legte meine Schwester, die ihr Ohr an die Tür gelegt hatte, nur warnend einen Finger auf ihren Mund. – Ich, im Moment nur der lästige Bruder, sollte ob zu belauschender ungeheuerlicher Vorfälle gefälligst das Maul halten. Was ging da vor, so fragte ich mich, und warum war ich nicht der mit Sünden beladene Mittelpunkt?

„Was ist denn da in der Küche los?“, wagte ich endlich zu flüstern.

„Psssst“, Finger auf den Mund, ein ärgerlicher Blick, „dem Nachbarn ist heut Mittag sein Weib davon, hat ihren Koffer gepackt und ist einfach verschwunden. Nun plärrt und trenst der Alois eben. Mag sein, sie ging in die Stadt. Ich sag dir was, hier bei uns auf dem Land war es ihr eh immer zu langweilig gewesen, da kann ich sie durchaus verstehen. Und nun sei endlich staad, ich kann sonst nichts mehr hören.“

Ein Wunder, Großknecht, das von mir erflehte Wunder und vom heiligen Antonius ohne Umschweife gesandt. Ich war gerettet, ein Berg von der Größe des Tabor fiel von meinem Herzen. Du kannst dir gar nicht vorstellen, welch große Erleichterung mir der Heilige verschafft hat. Es war schlichtweg meine körperliche und seelische Wiedergeburt. Doch nun lag es bei mir, die mir selbst auferlegte Buße zu tun und mein Versprechen gleichfalls zu erfüllen. Ja, ehrlich, ich wollte büßen, mein neues Leben seiner Kirche weihen. An die Nachbarsfrau und ihr Kind habe ich dabei allerdings nicht mehr gedacht.

Auch wenn du mich so ungläubig ansiehst, mein Lieber, beinahe wäre ich tatsächlich Priester geworden. Aber trinken wir aus, denn der Rest ist schnell erzählt. Ich studierte diesen einzig wahren Glauben, war aber von Anfang nur halbherzig bei der Sache, hätte mich folglich niemals einer Weihe unterziehen dürfen. Auf der einen Seite kam ich mit verschiedenen Dogmen nicht klar, konnte einfach nicht verinnerlichen, dass die Jungfrau Maria leibhaftig in den Himmel aufgefahren ist oder dass es einen Menschen auf Erden gibt, der in Glaubensdingen auf Grund von Offenbarung und kirchlichem Lehramt angeblich unfehlbar sein soll … Ein Mensch und unfehlbar?

Dir zu hoch, Großknecht? Mir auch, immer noch, obwohl ich nicht aufgehört habe, nachdem ich das Studium geschmissen hab, mich mit der Religion – und nicht nur mit einer – zu beschäftigen.

Fee-ausschnitt3Auf der anderen Seite erwachte während dieses Kirchenlateins ganz allmählich die Erkenntnis in mir, dass vielleicht irgendwo ein Kind von mir aufwuchs. Ohne Vater, der vor der Verantwortung aus Feigheit in den Schoß der Kirche geflohen war. Und solches quälte mich. Ich kam mit mir nicht mehr ins Reine. Da bin ich abermals weggelaufen, hab von einem Tag auf den anderen einer sicheren, auskömmlichen Laufbahn als Pfarrer entsagt und mich darauf in den verschiedensten Berufen versucht. Manchmal sogar mit Erfolg. Stets jedoch hielt ich meine Augen offen. Aber obwohl ich vielen Menschen auf meinen Wegen begegnet bin, des Nachbars Weib habe ich nie mehr gesehen, noch von einem Kind aus meinem Samen gehört.

Nun ja, Großknecht, das war es im Großen und Ganzen. Und weil der Mensch nichts ohne seine Wurzeln ist, ich besonders ein Nichts ohne ein Leben auf dem freien Land, habe ich mir den Hof auf Tabor gekauft. Irgendwann kamst dann du des Weges, hast angeklopft und stehst nun hier in Lohn und Brot – hörst mir sogar gelegentlich zu. Auch wenn du meistens nicht verstehst, was ich so von mir gebe und es am besten auch gleich wieder vergisst.

Macht nichts, Großknecht, ziemlich viele Menschen meinen, Wichtiges zu denken, Lebensnotwendiges zu ersinnen, gar verkünden zu müssen. Und doch sind ihre Gedanken meist für die Katz. Welche Gedanken, welche Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen kümmern schon das wahre Leben?

Eine lange Beichte, mein Lieber, und du musst nicht glauben, dass sie mir leicht gefallen ist. Doch im Nachhinein tat es gut, sich nach langen Jahren der Selbstvorwürfe einem Menschen zu öffnen. Selbst wenn derjenige nur mein Großknecht ist. Bittschön, behalte das Gesagte aber für dich, erzähl es entgegen meiner ursprünglichen Absicht noch nicht einmal Frau Holda. Ich denke, wenn die Zeit dafür reif ist, werde ich ihr selbst davon berichten.

Und nun wollen wir uns wieder den Dingen vor unserer Tür zuwenden, denn, Großknecht, draußen spielt die laute Musik.«

Hans-Dieter Heun, 2015 – Alle Rechte liegen beim Autor

Feenliebe-Cover-gross[1]

Ab 1. Februar 2015  bei allen einschlägigen Online-Buchshops erhältlich und selbstverständlich auch beim Buchhändler ihres Vertrauens. (aaVa-Verlag)

Eine Antwort auf „“Feenliebe” – Leseprobe Teil 2“

Ja, das ist wohl so: Himmi-Kreiz-Kruzifix-noamoi-Bieslwossa-brunzenden-und-Schbrizzwuaf-furzenden-Oarschgeing, ihr pekunären Formen … Aber leider auch unumgänglich notwendige Erfordernisse selbst eines Schrifstellerlebens.

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