(1) Am diesem Wochenende, das - rein von Wetter her betrachtet - besser ist als angekündigt und mich weniger zum Schreiben und dafür mehr zur Gartenarbeit und zum Lesen animiert, habe ich ein neues Wort gelernt. Nein, nicht "pikieren", sondern "molestieren". "Molestieren", das ist fast so schön wie "Dachjuhe" oder "Ideosynkrasie", "Socke" oder "Expropriation". Mein Verhältnis zu diesen Wörtern ist beinahe erotisch; sie streicheln meine Seele. Ihr müsst nicht im Duden nachsehen, wie ich das tun musste; die Bedeutung von "molestieren" ist "belästigen". Es kommt von dem lateinischen "molestare" und taucht eigentlich nur in Büchern des 18. und 19. Jahrhunderts auf. Gelernt habe ich das Wort bei den "Jugenderinnerungen eines alten Mannes" von Wilhelm von Kügelgen (1802 – 1867). Ich besitze eine alte Manesse-Ausgabe dieses wirklich lesens- und empfehlenswerten "Volksbuchs" des Biedermaiermalers, die ich irgendwann einmal aus einer Bücher-Ramschkiste gezogen habe und mit denen ich mich, wie es der in Dresden aufgewachsene Kügelgen ausdrücken würde, seit ein paar Wochen angeregt delektiere. In den "Erinnerungen" findet sich gegen Ende des 5. Teils folgender, von mir hier stark gekürzter Satz: "[..] mir ward irgendein Vergnügen oktroyiert, wie zu Beispiel [..], die Spatzen mit der Windbüchse zu molestieren." Ich liebe solche altväterlichen Formulierungen, wie sie insbesondere Jean Paul bis nahe an die Unles- und Unverstehbarkeit benutzt hat. Ich konzediere hier unumwunden, wie sehr sie meinen eigenen Schreibstil persuadieren.