Samstag, 17.10.20 – Nikolaus Klammer, der Gefährder der Jugend …

Samstag, 17.10.2020

Liebe unbekannte Leserin,

dies ist schon der „Herbst meines Missvergnügens“. Mich im Internet zu bewegen, macht mir gerade in den letzten Wochen immer weniger Freude. Von den ganzen Verschwörungsirren, Nazis, russischen Bots und Covidioten habe ich schon geschrieben, sie gehen mir täglich auf’s Neue auf den Geist. Aber da ist seit kurzem auch noch der ständige Zwang, auf jeder Site, auf die man surft, irgendwelche „Cookies“ zu akzeptieren; was vor allem am Smartphone zur nervenverzehrenden Folter ausartet. Und das muss ich jedes Mal wieder machen, wenn ich auf die Site gehe, da ich meinen Browser jetzt so eingestellt habe, dass er die doofen Spionagedateien automatisch wieder löscht, wenn ich ihn schließe. Schließlich geht mein Surfverhalten Amazon, Google und Facebook einen ***-Dreck an. Zudem ja auch Frau Klammerle meinen Internetzugang eifrig mitbenutzt. Wenn sie z. B. – wie letztens geschehen – im Netz nach einem passenden BH für sich gesucht hat, den sie dann doch im Einzelhandel in Augsburg erwarb, dann ist seither jede zweite Werbeeinblendung in meinen sozialen Medien eine Reklame für Damenwäsche – was mich nur in äußerst begrenztem Rahmen interessiert.

Neu ist auch, dass ich nun für den Verlag epubli, über den ich als Selfpublisher meine Werke veröffentliche, als Jugendgefährder und Pornograf gelte. Dort hat ihr neuer Algorithmus meine literarische Kurzgeschichtensammlung „Das Rote Haus“ aus Gründen, die nicht in Erfahrung zu bringen sind, bereits zweimal zensiert und auf dem Shop das so unanständige Cover und den Beschreibungstext aus „Jugendschutzgründen“ ausgeblendet. Inzwischen ist die Zensur mal wieder aufgehoben, aber ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich der cancel culture erneut zum Opfer falle.

Der Beschreibungstext lautet übrigens:

DAS ROTE HAUS – Kurze Geschichten

Der durch seine Romane bekannte Autor Nikolaus Klammer erweist sich in diesem Auswahlband mit 25 kurzen Geschichten auch als ein Meister der kleinen Form. Die hier versammelten Kurzgeschichten sind voller Experimentier- und übersprudelnder Erzählfreude. Sie berühren, machen nachdenklich und überraschen durch ihre Themenbreite, ihren Einfallsreichtum, ihre Eleganz und ihren Sprachwitz. Sie beweisen aufs Neue, wie bunt die Palette des Autors der Romanreihen »Dr. Geltsamers erinnerte Memoiren«, »Brautschau« und »Jahrmarkt in der Stadt« und der beiden Essaybände „Noch einmal davon gekommen“ und „Noch einmal daran gedacht“ ist.


Über den Autor
Nikolaus Klammer erblickte am 10. Februar 1963 das Licht dieser besten aller Welten. Er übt den Beruf des Geschichtenerzählers aus, seit er sprechen kann – also schon eine lange, lange Zeit. Er lebt und schreibt im verträumten Diedorf bei Augsburg und ist seit über dreißig Jahren glücklich verheiratet. Sein bisher veröffentlichtes und umfangreiches Werk umfasst Romane, Erzählungen und zwei Bände mit Essays und Glossen.

Das ist schon heftig! Aber nun gut. Ich gestehe, dass eine der Geschichten, nämlich der „Engel im Spiegel“, den man hier im Blog nachlesen kann, die kurze Beschreibung eines einvernehmlichen, heterosexuellen und für die Handlung wichtigen Geschlechtsverkehrs zwischen zwei Erwachsenen beschreibt. Dabei bewerbe ich mich aber eher für den Bad sex in ficition-Award der britischen Zeitschrift Literary Review, den diese an zeitgenössische Romanautoren für die schlechteste Beschreibung einer Sex-Szene vergibt. Der Rest der Kurzgeschichtensammlung, der sich selbstverständlich an ein literarisch gebildetes und erwachsenes Publikum wendet, ist freilich „schmuddelfrei“. Welche stinkenden Sumpfblüten wird die gerade grassierende, voreilige und vorauseilende political correctness noch austreiben? Und was stellt sie mit unserem kulturellen Leben an? Ich finde, sie zerstört es noch nachhaltiger, als es der Virus gerade tut. Und was ist das für eine amorphe Clique von Personen, die offenbar gerade die öffentliche Diskussion übernommen hat und munter alles und jedes unter Generalverdacht stellt und zensieren will, das sich nicht ihren Regeln unterwirft? Warum kuschen die Denker und Philosophen vor ihnen? Jenen, die erfolgreich einfordern, dass Bücher zensiert, Gedichte gelöscht oder mit Triggerwarnungen für sensible Gemüter ausgestattet werden und Künstler- und Hochschulkarrieren vernichten? Jene, die wollen, dass alte Kinderbücher entweder sprachlich gereinigt oder doch zumindest den Kindern vorenthalten werden? Die auch von mir verlangen, dass ich als zufällig männliche/r/s Literat*In (grundsätzlich in Rassismusverdacht und frauen- und transgenderfeindlich) die deutsche Sprache vergewaltigen soll, weil sie selbst den Unterschied zwischen einem grammatikalischen und einem tatsächlichen Geschlecht nicht begreifen? Was geht da vor?

Aber um Herrn Rether zu zitieren: „Was rege ich mich auf?“

*

Zumindest ist es mir endlich gelungen, vorerst die Arbeit an meiner nächsten literarischen Veröffentlichung – dem Roman „Aber ein Traum“ – abzuschließen. Es sind doch über 300 Seiten und wie ich meine, ein großes Leseerlebnis geworden.

„Ende“ unter ein Buch zu schreiben, erfüllt mich immer mit Stolz und setzt Glückshormone frei, die dann jedoch bald wieder verfliegen. Denn das Wort „Ende“ ist eigentlich eine Lüge. Nun kommt der – zumindest für mich – lästigste Teil der Arbeit, nämlich die Zeit, in der meine Testleserinnen das Werk kritisch begutachten, alles ein letztes Mal korrigiert und verbessert wird (ärgerlicherweise werden trotzdem viele Fehler übersehen), Vorder- und Rückcover entstehen, Werbetexte geschrieben werden. Ich muss trotz meiner Ungeduld viel, viel warten, obwohl ich mein „weltbewegendes“ Werk endlich meinen Leserinnen übermitteln möchte und auf ihre Reaktionen erhoffe. Zumindest kann ich garantieren, dass „Aber ein Traum“ keinerlei jugendgefährdende Inhalte hat, sondern einfach und schlicht gute Literatur ist. Im Moment rechne ich damit, dass der durchaus phantastische Roman um die Brüder Waldescher und ihre große Liebe, der sehr aufmerksame Leserinnen benötigt, im nächsten Monat erscheinen kann.

Auf den dringenden Wunsch von Frau Klammerle und anderen Leserinnen (Hallo, Luna!) habe ich meine Schreibblockade heruntergeschluckt und arbeite jetzt am 4. Teil meiner Geltsamer-Romane, die offenbar – und das schmeichelt mir sehr -, jeder liebt, der sie gelesen hat. (Der 1. Band „Die Frau, die der Dschungel verschluckte“, hat es bei Amazon immerhin auf 10 begeisterte Rezensionen gebracht). Es ist bereits etwa ein Viertel des neuen Buchs geschrieben, das den Titel „In den Bücherkellern des Vatikans“ erhalten wird. In bewährter Weise werde ich in der nächsten Woche damit beginnen, die Beta-, oder eher Gammaversion des Romans hier in homöopathischen Häppchen als Fortsetzungsgeschichte zu bloggen. Das wird hier zwar kaum gelesen, aber es ist für mich eine gute Methode, mich selbst zur Arbeit zu zwingen und für regelmäßigen Nachschub zu sorgen. Vielleicht willst du ja doch mitlesen.

*

Ist es dir aufgefallen, meine liebe und einzige Leserin? Ich habe diesmal auf Fußnoten verzichtet. Irgendwie habe ich jetzt aber das Gefühl, es fehlt etwas. Aber es geht wohl auch ohne …(1)

Liebe Grüße, Nikolaus


(1)  … manchmal zumindest.

8 thoughts on “Samstag, 17.10.20 – Nikolaus Klammer, der Gefährder der Jugend …”

  1. Nun, du musst doch wohl zugeben, dass das rote Haus sehr aufreizend und retraumatisierend in Szene gesetzt ist. Die Zensur ist darum mehr als notwendig!
    Doch nun ganz ohne Scherz – es zeigt, wie tückisch Filter sind. Der Spagat zwischen (tatsächlich notwendigen) Jugendschutz und Wahrung der Verfassung im Internet (Ziel ist hier glaube ich weniger von dir benannte politische Korrektheit, sondern Pornografie, Rassismus, Diskriminierung und harte Frauenfeindlichkeit) und Zensur ist nicht leicht. Das scheinbar geniale Prinzip der Filter führt leider leider zu vielen Fehlurteilen…
    Doch hey – the best news are bad news! 😉 Ein bisschen Drama schadet nie…

    Es freut mich, dass die Arbeit am 4. Band weiter geht! Doch bis dahin bin ich ja zum Glück versorgt ^^

    Liebe Grüße!

  2. Das Cover von das „Das rote Haus“ wird von der neuen modernen KI als anzüglich erkannt. Ist doch klar: das Ding, was da oben aus dem Haus rausguckt, ist rot und steht weit nach oben empor. Das kann doch nur … nein, das ist kein Schornstein, das ist auch kein Turm mit Fenster und Uhr, nein, denkt sich die KI, das ist ein Phallussymbol und muss deshalb vor den Augen kleiner Kinder verborgen bleiben. Was würden die einen Schreck fürs Leben bekommen: ein roter Turm aus Backsteinen! 😉
    Deine Werkesammlung bei epubli ist beachtlich. 24 Werke habe ich gezählt. Gut, die tauchen immer doppelt auf, wegen Taschenbuch und E-Book, aber dann sind es immer noch ein Dutzend. Und bald kommt dann wieder eines hinzu. Ich schaffe so etwas nicht, bei mir reicht es gerade mal für ein paar kurze Verse. Ich wünsche dir weiterhin frohes Schaffen!

  3. Hallo, David. Ja, ich bin schon ein fleißiges Kerlchen. Und im nächsten Monat erscheint mit dem Roman „Aber ein Traum“ Buch 13 resp. 26. Es ist leichter, ein Buch mit Prosa zu füllen als mit Poesie, es sei denn, der Lyriker schreibt einen Versepos. Aber wie heißt es doch so schön: „Kleinmist macht auch Vieh und 1000 Haikus ergeben einen Gedichtband“, oder so ähnlich. Herzliche Grüße.

  4. Übrigens zeigt das Cover meiner „zensierten“ Kurzgeschichtensammlung einen Ausschnitt aus einem sehr expressionistischen Gemälde meines Freundes Bernd Wurzer, das den ehemaligen Schlachthof in der bayerischen Gemeinde Straubing darstellt.

    Das rote Haus

  5. Und vergiss nicht die Geschichte dazu, die ich tatsächlich im Eindruck des Gemäldes schuf und mit zum Besten gehört, das ich je schrieb. Mit Sicherheit ist es ein sehr lyrischer Text:

  6. Du hast recht mit dem Kleinvieh. Aber keiner wird 1000 Haikus hintereinander lesen wollen. Nach 10 habe ich schon immer genug. Im Gedicht generell ist ja alles immer konzentriert, also auf den Punkt gebracht. Da kann man nicht alles schnell weglesen. Soll man ja auch nicht, sondern die Momente oder Gedanken genießen oder hinterfragen. Bei Prosa ist das anders. Wenn die Geschichte gut erzählt wird, will man wissen, wie es weiter geht und liest und liest. Und ehe man sich versieht, ist man auf der letzten Seite angekommen. 🙂

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