Samstag, 04.05.19
Gestern vor sechs Jahren ging mein Blog mit einem kleinen Artikel online. Heute beginnt mein verflixtes 7. Blogjahr. Ich werde mir am Abend eine Flasche französisches Blubberwasser von der Witwe Clicquot entkorken und mit mir selbst anstoßen.
Und weitermachen …

An diesem Wochenende geriert sich der Mai übrigens recht aprilzickig und nicht unbedingt von seiner vielgepriesenen Wonneseite: Es ist regnerisch, kalt bis an die Nullgrad-Grenze hinunter und für heute Abend ist Schneefall bis in die Niederungen angesagt (1). So soll es auch in der nächsten Woche weitergehen. Ich weiß nicht, ob das schon die leicht verfrühten Eisheiligen sind oder nur eine gewöhnliche Wetterkapriole, aber es fesselt mich ans Haus. Ich habe plötzlich die winterliche Lust auf Tee und dicke Bücher, arbeite mit einer Decke auf dem Sofa sitzend meinen Serienstapel bei Netflix und Amazon Prime ab und verheize die letzten vor dem Winter eingelagerten Buchenholzvorräte. Meine fleißige Gattin hat Wochenend- und Spätdienst und lässt mich leichtsinnigerweise den ganzen Tag unbeaufsichtigt.(2)
Eigentlich müsste ich ja an meinen Romanen weiterarbeiten, ich weiß. Aber da ich immer mehr das Gefühl bekomme, dass ich der einzige Mensch auf der Welt bin, der sich ersthaft für sie interessiert, bin ich gerade ein wenig in der Schreibkrise und schiebe diese Arbeit vor mir her. Es ist eigentlich egal, ob sie morgen, in einem Monat oder in einem Jahr fertig werden. Für mich existierten diese Bücher ja bereits in meiner Vorstellung und ich schreibe täglich zwei, drei neue – in meinem Kopf. Sie zudem aufs Papier zu bringen und drucken zu lassen, ist zwar eine befriedigende Beschäftigung und es macht mich stolz, meine acht gebunden Bücher in der Hand zu halten oder im Regal anzubeten, jedoch brauche ich mich damit nicht zu eilen, Nr. 9 hinzuzufügen. Keiner wartet ungeduldig und nägelkauend auf Nachschub. Also kann ich auch mal ein Wochenende ohne schlechtes Gewissen faulenzen, die Beine hochlegen und vielleicht auch mal wieder ein neues Computerspiel ausprobieren.

Und weil das eben so mein blumiger Stil ist, wechsle ich hiermit das Thema: Wir machen unsere Nudeln selbst – nicht immer, aber immer häufiger. Wobei “wir” selbstverständlich “Frau Klammerle” bedeutet. Ich bin nur für die niedrigen Dienste zuständig wie das Kurbeln der Nudelmaschine und das Befüllen und Formen der Ravioli. Das bislang größte Problem war es, einen Platz zu finden, wo man die Bandnudeln zum Trocknen aufzuhängen kann. Bislang benutzte meine findige Frau dafür unseren Wäscheständer; doch diese Lösung war ziemlich unbefriedigend und benötigte viel Platz.

Doch ein Urlaub in Südtirol hat nur Vorteile: Dort gibt es das Beste aus beiden Welten, also neben billigem Prosecco auch italienische Haushaltswarenläden, in denen es praktisch alles gibt. Deshalb sind wir nun glückliche Besitzer eines hochwertigen und original italienischen Bandnudelständers, der geschmackvoll mit unserer Kücheneinrichtung harmoniert und auch an Weihnachten mit Christbaumkugeln behängt unser alljährliches “Brauchen wir einen Baum oder nicht?”-Dilemma löst. Ein Spötter mag behaupten, ein “Nudelbaum” sei so sinnvoll wie ein Tischstaubsauger, ein Lockenwickler, ein Thermomix, eine Donut-Maschine oder eine die Filmmusik aus dem Paten pfeifende Eieruhr (die gab es in dem Haushaltsgeschäft ebenfalls, doch Frau Klammerle hat mir leider verboten, sie zu kaufen), aber der hat eben keine Ahnung. WIr lieben dieses Ding.
Übrigens gibt es bei mir heute Abend zum Champagner diese Bandnudeln mit einer fruchtigen Paprika-Tomanten-Sauce.
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(1) Der Schnee ist für mich allerdings auch ein gewichtiges Argument. Da habe ich eine gute Ausrede, hier an meinem PC zu sitzen und diesen Text zu tippen und muss nicht die Reifen an Frau Klammerles Bonsai-Auto wechseln, was ich schon seit geraumer Zeit vor mir herschiebe. Allerdings muss ich heute Nacht überwinterte Geranien, sämtliche Blumenkästen und Pflanzeimer, die meine ungeduldige Frau Flora verfrüht angepflanzt und auf der Terrasse ausgesetzt hat, vom Garten ins Wohnzimmer schleppen, damit den zarten Pflänzchen nicht der böse Frost den Garaus macht. Dazu gehört auch ein gefühlte zehn Tonnen schwerer Feigenbaum (bitte nicht mit dem Nudelbaum verwechseln!) in seinem massiven Tonkübel.
(2) Lieber aufmerksamer und an dem Schicksal meiner Familie interessierter Leser, den ich mir jedesmal vor meinem inneren Auge vorstelle, wenn ich hier schreibe: Du weißt ja, sie ist seit bald 40 (!) Jahren Kinderkrankenschwester auf einer Frühgeburtenintensivstation und in ihrem äußerst verantwortungsvollen, psychisch und pysisch an die Grenzen gehenden Beruf geht es jeden Tag um Leben und Tod. Trotz Intensiv- und Wochenendzuschlag und häufigen Nachtwachen verdient sie im Monat ein Drittel weniger als ich, der ich mir in meinem Teilzeit-Brotberuf mit geregelten Arbeitszeiten und freien Wochenenden nicht gerade ein Bein ausreiße. Zudem muss sie einen nicht unerheblichen Teil ihres Einkommens zur Vorsorge aufwenden, damit sie durch ihre erbärmliche staatliche Rente nicht irgendwann in die Altersarmut rutscht. Diese geradezu obzöne Ungerechtigkeit betrifft alle sozialen Berufe und ist einer der Würmer, der den Apfel unserer Gesellschaft, die immer mehr auf diese selbstlosen Menschen angewiesen ist, faul macht. (Das Reinvermögen von Frau Klammerles kirchlichem Arbeitgeber betrug im letzten Jahr übrigens 1,36 Mrd. Euro – aber das nur am Rande.)