Ein Schriftsteller ist eine Person,
die sich der Illusion hingibt,
es werde ein weiteres Buch von ihr erwartet.
Reinhard Lettau
“Und? – Was machen Sie beruflich?”
Jeder Künstler kennt diese Frage, die ihm immer wieder bei Lesungen, Vernissagen, nach Konzerten oder Theateraufführungen von einem wohlmeinenden, durchaus interessierten Publikum gestellt wird. Sie rangiert neben “Woher haben Sie eigentlich ihre Ideen?” unangefochten auf Platz Eins der häufigsten und zugleich dämlichsten Fragen, die man einem Kunstschaffenden stellen kann.
Freilich üben die meisten Künstler noch mindestens einen Brotberuf aus, denn in unserer gierigen Möglichst-billig-oder-wenn’s-geht-gleich-Gratis-Gesellschaft und der kriminellen Mitnahme-Mentalität, die im Internet herrscht (1), können nur wenige ausschließlich von ihrer Kunst leben und auch diese werden nicht einmal annähernd adäquat bezahlt. Wenn der Künstler nebenher kellnert, in einem Büro Akten sortiert, Kinder oder Erwachsene unterrichtet oder Alte pflegt, Post austrägt, Fliesen legt oder Webseiten gestaltet (alles Dinge übrigens, die ich schon einmal während meiner Karriere gemacht habe), fragt ihn dort auch niemand, was er denn neben diesen Jobs sonst noch beruflich mache. Dabei ist doch immer dieser Brotberuf, dem ich nur gezwungenermaßen nachgehe, um mich und meine Familie durch den Winter zu bringen, derjenige Job, der bei mir immer erst an zweiter Stelle kommt. Oder meint hier jemand ernsthaft, Goethe war in erster Linie Weimarer Geheimrat, unterschrieb begeistert Todesurteile und verwaltete den örtlichen Bergbau? Jeder Autor würde wie Arno Schmidt sofort eine monatliche Rente von Herrn Reemtsma akzeptieren, damit er nur noch schreiben kann. Nebenbei: Wenn mich jemand mäzenatisch unterstützen möchte, nur zu …
Nein. Schriftsteller zu sein, ist kein Hobby – es ist eine Lebensentscheidung, ein Ausdruck der Persönlichkeit. Ein Muss. Entweder man lebt – oder man schreibt. Es gibt nichts drittes. Die Literatur ist eine eifersüchtige Geliebte. Trotzdem macht in den letzten Jahren die leicht despektierliche Formulierung vom “Hobby-Autoren” die Runde, als ob jeder, der nicht zumindest ein Werk gebunden und gedruckt in einem Verlag veröffentlicht hat und Mitglied im PEN ist, ein Dilettant wäre und nur aus Spaß in seiner Freizeit schreiben würde; ganz wie jemand, der morgens gerne mit Stöcken durch den Wald rennt, Gerichte von Johannes Lafer nachkocht, Joga macht oder in der Toskana Töpferkurse besucht. Ein Autor ist niemand, der gelangweilt nach einer Möglichkeit sucht, dem inneren horror vacui durch ein Hobby zu entkommen, der in die Freizeit die Nichtigkeit des eigenen Daseins projiziert. Dieser Billig- und Verächtlichmachung seiner Werke ist man als Autor ständig ausgeliefert. Sie ist eine Frechheit und Anmaßung, eine Beleidigung. Niemand würde einem Schreiner beim Regalbau reinreden oder ihn gar kritisieren, behaupten, er könne das alles viel, viel besser, wenn er nur wolle.(2) Aber beim Schreiben: Da ist jeder plötzlich ein Fachmann und Kritiker – wahrscheinlich, weil er es in der Schule irgendwann mehr oder weniger korrekt gelernt hat, Erlebnisaufsätze und Erörterungen auf’s Papier zu kritzeln und ein Powerpoint-Referat zu halten. Manche Kritiker gleichen einem katholischer Pfarrer, der von der Kanzel herab arrogant über die Empfängnisverhütung richtet.

Freilich gibt es auch solche, die durch Internet- oder gewisse Bezahlverlage massiv und aufdringlich an die Öffentlichkeit drängen und mit ihren nicht lektorierten und banalen Liebes-, Vampir- und Sadomaso-Geschichtchen, autobiografischen Dramen oder banaler Fan-Fiction den Markt überfluten. Leider kann man das Schreiben nicht lernen, auch wenn einem Volkshochschulkurse, Unidozenten und Workshop-Leiter etwas anderes einreden wollen. Schreibseminare sind Unfug, es gibt in der Literatur kein Malen nach Zahlen. Entweder man ist Autor – oder man ist keiner. Wer übers Schreiben redet, ist in der Regel kein Schriftsteller. Wobei sich also der Autor nicht über seinen Seiten-Output oder seinen Erfolg, sondern über seine innere Einstellung und über seine Leser definiert. Auch bei Autoren sollte man zwischen Künstlern und Kunsthandwerkern unterscheiden.
Trotzdem sind auch diese “Freizeit-Schreiberlinge” von der Bedeutung ihrer Werke überzeugt, denn sie zerren sie aus ihrer Schreibtischschublade ins Licht eines Publikums. Damit haben die Texte keinen Tagebuchcharakter mehr, sind kein “Steckenpferderzeugnis” für den Privatgebrauch wie eine selbst getöpferte Tasse. Sie sind an einen Dritten gerichtet; sie sind – damit ich auf meinem Blog auch einmal den leider allzu früh vergessenen Jean-Paul Sartre zitiere – “ein Appell an die Freiheit des Anderen, die literarische Schöpfung zum Abschluss zu bringen”. Und ein literarisches Werk ist eben erst dann vollendet, wenn es den Anderen findet, an den es gerichtet ist, den Leser. Der Akt des Lesens ist ebenso schöpferisch wie der des Schreibens- und manchmal ist er ebenso mühsam und quälend. Auch Lesen ist eigentlich kein Hobby. Das wird oft vergessen.
Manchmal, wenn ich die Bestsellerlisten bei Amazon durch-“scrolle”, kann ich mich allerdings nicht dem Eindruck entziehen, es gäbe mehr Autoren als Andere, als Leser … Aber zum Abschluss der literarischen Schöpfung ist es vollkommen gleichgültig, wie viele das Werk lesen, es muss nur gelesen werden. Auch das ist ein Grund, aus dem ich diesen Blog führe. Ich suche diesen einen Leser. Und er wird hier reichlich fündig.
Wenn er denn will …
(1) Eine einfache Google-Suche nach meiner Literatur bringt gut zwanzig Fundstellen im Netz, wo man meine geraubten Bücher gratis herunterladen kann. Ich weiß nicht, ob ich glücklich oder traurig sein kann, dass wohl niemand dieses (virenverseuchte) Angebot annimmt, da mich eh kaum jemand liest.
(2) Ein – selbstverständlich – inzwischen ehemaliger Freund hat mal behauptet, wenn er Bücher schreiben würde, wären sie viel besser als meine. Und die Berliner Berge wären viel höher als die Bayerischen – wenn sie denn welche hätten.
Eine Antwort auf „Der “Hobbyautor” und wie ich das hasse!“
[…] (1) Ich habe heute keine Lust, erneut durchzudiskutieren, ob ich mich Schriftsteller nennen darf oder nicht. Ich habe das hier bereits getan: Der „Hobbyautor“ und wie ich das hasse … […]