“Ich will nichts erleben!
Ich bin Schriftsteller!”
Patrick Süskind
Liebe Kinder, immer wieder werde ich gefragt, wie es mir gelingt, Tag für Tag so tolle Geschichten, mit denen ich die Herzen meiner Leser erfreue, zu schreiben. Davon – vom Schreiben und dem befriedigenden Gefühl, bei einer Tasse Tee und guter Musik schöne Worte aufs Papier fließen zu lassen, um euch mit ihnen zu beglücken – möchte ich euch heute erzählen …
Nein. Noch einmal ernsthaft: Schreiben ist eine grausame, eine gewalttätige Tätigkeit, verausgabend und selbstzerstörerisch. Es ist eine eifersüchtige Geliebte, die keine andere Leidenschaft neben sich erlaubt und wie eine Vergewaltigerin über den Autor kommt, eine Vampirin, die sein Herzblut aussaugt und es auf das jungfräuliche Papier tropfen lässt …
Der Traum der Vernunft gebiert Ungeheuer.
Gut, das war auch noch nicht ganz die Wahrheit. Sie ist irgendwo mittendrin. Als Autor neigt man bei seinen Antworten gerne mal einem Extrem zu – das ist auch für den Fragenden interessanter. Tatsächlich aber ist das Schreiben von Belletristik eine ziemlich langweilige Angelegenheit. Viele Schriftsteller fassen ihre Literaturproduktion als einen vollkommen normalen Beruf auf, dem sie wie ein Büroangestellter nachgehen. Sie suchen ihr Arbeitszimmer zu festen Zeiten auf – viele übrigens bereits am Vormittag. Den Bohemekünstler, der im Schein einer flackernden Kerze mitten in der Nacht seiner Muse genialische Worte abringt, ist ein bürgerliches Märchen. So gelingt vielleicht schlechte Lyrik, ein Romanautor jedoch muss bei seiner Arbeit ausgeschlafen sein. Selbst die großen Säufer unter den Schriftstellern wie Hemingway oder Josef Roth hatten ihre Süchte so weit unter Kontrolle, dass sie erst am Abend und in der Nacht tranken und das erst, wenn sie ein bestimmtes Tagespensum an Wörtern erreicht hatten. Ob der Alkohol ihrer Literatur eher geholfen oder geschadet hat, sei dahingestellt, ich persönlich würde auch aus eigener Erfahrung von Drogenkonsum beim Schreiben abraten, besoffen, bekifft oder bekokst kann man keine Erzählungen oder Romane schreiben. Das Genie lässt sich nicht herbeidelieren.
Romanautoren führen also in der Regel ein gutbürgerliches, geordnetes Dasein, setzen sich brav vormittags nach der Morgenwäsche und dem Frühstück an den Schreibtisch, verbessern zuerst die Texte von gestern, finden über diesen kleinen Bach wieder hinein in ihren Gedankenstrom und schreiben dann bis Mittag, essen mit der Familie, machen einen kleinen Spaziergang mit dem Hund oder einen Verdauungschlaf, arbeiten dann bis vier Uhr weiter, am Ende stehen die Korrespondenzen, Artikel und der andere Bürokram. Thomas Mann hat paradigmatisch vorgeführt, wie man das macht. So geht es vier-, fünfmal in der Woche und nur auf diese Weise ist ein Roman in überschaubarer Zeit einigermaßen bruchlos zu bewältigen. Es gibt kaum etwas Uninteressanteres und Langweiligeres als das Privatleben von Buchautoren, die – ich entnehme das einem Interview der SZ mit Raimund Fellinger, dem Lektor des Suhrkamp-Verlags – alle ziemlich unsymphatische A****löcher sind (Wahrscheinlich würde ich in den gestrengen Augen dieses Herren auch keine Ausnahme machen). Wobei er hier wahrscheinlich das Schutzschild gegen ungerechtfertigte Kritik für eine Charakterschwäche hält.
Meine Schreibtage, die sich im Moment aufgrund der zeitlichen Anforderungen meines Brotberufs auf Freitag bis Montag beschränken, laufen ganz ähnlich ab: Obwohl ich alles andere als ein Morgenmensch bin, beginnen sie gegen 7 Uhr morgens und geht ohne Unterbrechung bis zum frühen Nachmittag; dann widme ich mich meiner Familie, meinem Privatleben und meinen Lektüren. Ich schreibe immer gleichzeitig an mehreren Texten und auch nicht chronologisch, im Moment sind das in der Hauptsache der Roman Dr. Geltsamer, die Fortsetzung von Brautschau und selbstredend an meinem Schmerzenskind Aber ein Traum, allerdings beschäftige ich mich nur mit einer Geschichte pro Tag. So entstehen pro Arbeitstag etwa 2500 – 3000 Wörter, die diversen Blogartikel nicht mitgerechnet. Relativ zeitnah setze ich dann die neu erstellten Teile der beiden Erstgenannten, die ich direkt in den Computer tippe, in meinen Blog, wo ich weiter an ihnen schleife und sie überarbeite. Diese Vorgehensweise hat sich bei dieser “Genreliteratur” als durchaus erfolgreich erwiesen. Anders z. B. Aber ein Traum oder Nutzlose Menschen; meine ‘ernsthafte’ Literatur wird von mir handschriftlich aufgesetzt, die Notizen handschriftlich überarbeitet, dann erst abgetippt und noch ein paar Mal redigiert. Leider übersehe ich trotzdem viele Fehler.
Ich zitiere mich mal selbst:
Am Anfang kommt die Handschrift.
Das hat zwei Gründe: Zum einen zwingt mich die Arbeit mit dem Bleistift zu Langsamkeit, zur Nachdenklichkeit. Es ist wie mit dem Wandern und dem Autofahren: Wenn ich gemächlich mit dem Bleistift in der Hand über die Zeilen schlendere, jeden Buchstaben ausmale, dann kommt meine Seele mit mir am Ziel – dem Ende des Absatzes – an. Ich komme meinen eigenen Gedanken hinterher und habe die Zeit, mich in die Stimmung meines Textes zu finden. Denn diese Stimmung ist zu Anfang wichtiger als lupenrein ausformulierte Sätze. Wenn ich dagegen einen Text tippe, bin ich meistens mit den Gedanken bei den technischen Spielereien (Blocksatz, Schriftart, Tippfehler usw.) oder in der Vorstellung bereits 2 Absätze weiter.
Nachteil des Handschriftlichen ist, dass ich manchmal schon nach ein paar Stunden meine eigene Klaue nicht mehr entziffern kann; das passiert vor allem bei zwischen die Zeilen geschmierten Einschüben, die mir im Augenblick des Aufschreibens unglaublich wichtig waren!
Ich schreibe handschriftlich nur in der Öffentlichkeit, also in einem Café oder einem Park. Ich glaube, Simone de Beauvoir hat einmal gesagt: „Der Schreibende ist der einsamste Mensch der Welt.“ Und wie eine Antwort liest sich eine Bemerkung Tschaikowskys an Nadeshada von Maeck:
„Wenn du in dir selbst keine Freude finden kannst, so blicke um dich. Geh ins Volk! Schau, wie es sich dem Vergnügen, der ungehemmten Freude hingibt.”
Im Café fühle ich mich zwar noch immer einsam, aber ich bin nicht mehr allein.
Ich hasse es übrigens, Briefe zu schreiben oder in Facebook zu kommentieren …
2 Antworten auf „Ein Tag wie dieser.“
Lautet etwa der Name des Cafés “Masochistenstüberl”?
Erleuchte mich, oh du Weiser vom Berg. Wie soll ich deine Worte deuten? Das Café, in dem ich meistens schreibe, heißt Wolf und ist am Rathausplatz. Dort sind der Milchkaffee und die Butterbrezeln anständig (wenn auch teuer), aber man hat einen guten Blick auf Augsburgs Gute Stube und irgendwann kommt jeder Augsbürger dort vorbei.