Kleine Brötchen

Da habe ich mich doch tatsächlich überreden lassen …

Ich hatte mir eigentlich geschworen, in meiner bornierten, arroganten und pfahlbürgerlichen Heimatstadt nie mehr eine Lesung aus meinen Werken zu machen. In Augsburg hat mich der Kulturbetrieb Jahrzehnte lang ignoriert; man hat mich verarscht, hintergangen und ausgenutzt. In seiner Heimatstadt gilt der Prophet nichts. In meinem Zyklus „Jahrmarkt in der Stadt“ kann man viel über diese Wut lesen.

Doch inzwischen ist eine andere Generation herangewachsen und sie ignoriert die alten Seilschaften, macht Neues und manches anders, besser. Eine dieser kleinen, mit Herzblut und Engagement geführten Kulturbetriebe in Augsburg ist Die Metzgerei, eine Mischung aus Laden, Galerie und Veranstaltungsort, den in der Hauptsache Studenten der nahen Hochschule ins Leben gerufen haben (Homepage oder Facebook).

In regelmäßigen Abständen werden in den kleinen Räumlichkeiten einer ehemaligen Metzgerei Ausstellungen, Konzerte und ab und an auch mal ein sogenannter „Poetry Glam“ veranstaltet. In der Eigenwerbung heißt es, dort könnten „Eigen- oder Fremdtexte vorgetragen werden, ein Wettbewerb findet nicht statt, dafür gibt es wie immer eine tolle Location, ein prima Publikum und eine Menge Applaus!!!“ Diesen Samstag ist es wieder so weit:

Das aufwändig gestaltete Plakat zur Veranstaltung.

Das aufwändig gestaltete Plakat zur Veranstaltung.

Nun bin ich Vegetarier und ein erklärter Feind von Lyrik, insbesondere rhythmisch vorgetragener. Dazu kann ich zum flottkritischen Thema „Weihnachtswahn meets Neujahrsplan“ wohl wenig beitragen und überhaupt: Ich bin wahrscheinlich zu alt für die ganze Sache und als gestandener, bayerischer Epiker, der gerne tausend Wörter benutzt, wo auch zehn reichen würden*,  sind mir die mir zugestandenen fünf bis zehn Minuten auch viel zu kurz. Dazu bin ich immer noch der Meinung, dass die meisten Autoren ihre eigenen Texte nicht vortragen sollten.

Trotzdem bin ich dabei. Wie gesagt, ich wurde überredet … Ich werde mal aus dem Weihnachtshund lesen – keiner meiner typischen Texte, aber vielleicht der passendste für diesen Event, bei dem kabarettistisches am besten ankommt. Aber da habe ich meine Zweifel, denn wahrscheinlich bin ich unter den jungen, hippen Menschen ein Dinosaurier aus dem letzten Jahrtausend und werde trotz des prima Publikums recht schnell von der Bühne gebuht. Ich werde es sehen.

Egal. Wer an dem Menschen hinter dem Frosch interessiert ist, mit mir ein Bier trinken oder einfach nur mein Desaster erleben will, ist von mir herzlich dazu eingeladen:

Samstag, 12.12.2015, ab 19:00 Uhr
Poetrie-Glam in der Metzgerei
Haunstetter Str. 23, Augsburg
(das ist ganz in der Nähe vom Roten Tor, problemlos mit der Straba erreichbar)

Wer mich nicht ausstehen kann, darf auch kommen. Ich bin nicht der Einzige, der an diesem Abend die Schweißperlen seiner Mühen unters lauschende Publikum schleudert.

 

_____________________________

*… was ich gerade wieder beweise. Ich warte immer noch darauf, die Proust-Plakette für Geschwätzigkeit zu erhalten.

4 thoughts on “Kleine Brötchen”

  1. Sehr löblich, Du, mein Klammer, als eingeschworener Vegetarier in einer Metzgerei. Die Welt ändert sich zum Besseren.

  2. Genau diese Antwort, mein HD, habe ich von dir erwartet. Und ich werde mich selbstredend in der Metzgerei dafür entschuldigen, dass ein Teil des Textes, den ich lesen werde, wie klebriger, fetter Bratensaft aus deiner fleischlastigen Feder geflossen ist.

  3. Lieber heiliger Nikolaus, ich tue Dir kund, Deine Lesung in einer Metzgerei den Armen Poeten – allerbesteste Literaturgruppe des bekannten Universums – verkündet zu haben. Also klammere bitte nichts aus.

  4. Das freut mich. Aber gibt es in Augsburg überhaupt Arme Poeten, die sich nicht nur für ihren eigenen Bauchnabel interessieren? Ich kenne nur einen …

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