Nikolaus Klammer Gastartikel,Kurzgeschichte,Literatur,Musik Sammy Davis Jr. – Eine Geschichte von Hans-Dieter Heun

Sammy Davis Jr. – Eine Geschichte von Hans-Dieter Heun

Zur Abwechslung mal wieder eine kleine Story von Hans-Dieter Heun, dem bäuerlichen Philosophen (oder philosophischen Bauer?) vom Heiligen Berg Tabor. Neben seiner bienenfleißigen Tätigkeit als Autor und Landmann leitet er auf Facebook das sehr erfolgreiche literarische Form „Arme Poeten“, und arbeitet seit Neuestem als Ernährungsberater.

Dies ist übrigens der 350. Beitrag auf meinem Blog.

Viel Vergnügen.

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Sammy Davis Jr.

Ich schwöre bei meinen drei letzten, mittlerweile toten Hunden, aber mir ist wirklich nicht mehr bewusst, warum ich ausgerechnet heute am frühen Morgen Mr. Bojangles von Sammy Davis Jr. hören wollte. Mindestens 34 Jahre bin ich ohne Mr. Bojangles ausgekommen, warum dann ausgerechnet heute?

I knew a man bojangles and he danced for you in worn out shoes“

Innerer Zwang? Jedenfalls fand ich den Song und legte ihn in meinen mir noch verbliebenen Plattenspieler. – Weihrauch wallte, Posaunen ertönten, es machte Dong … oder ein simples Yeaaah, meinetwegen auch Karakarabamm – was weiß denn ich noch –, und Sammy Davis stand leibhaftig in meinem Wohnzimmer.

Sammy sagte: „Hi Heun, Deine toten Hunde haben mir erzählt, du liebst meinen Song?“

Auf einmal stellte er sich in Position, sprang aus dem Stand hoch und schlug in der Luft mit den Hacken zusammen. Sammy war jetzt Mr. Bojangles, mein Gott, konnte der tanzen. Ausgefranstes Hemd, ausgebeulte Hosen, graues, fast silbernes Haar, und trotz seines Alters hat er ganz weich getanzt. Gesprungen aber ist er wie kein anderer, so hoch und trotzdem ganz zart aufgekommen.

Und dann sah er mich an, als wäre er die Weisheit in Person. Und dann sprach er von den fünfzehn Jahren, als er mit seinem eigenen Hund überall herumzog. Und dann ist sein Hund ebenfalls gestorben, und jetzt, in meinem Wohnzimmer, müsse er nach den vielen Jahren immer noch darüber weinen. Und sein toter Hund hätte meinen toten Hunden erzählt, dass ich seinen Song darüber überaus liebe. Und daher wäre er jetzt hier, außerdem wäre er nun eine saubere Fee. Und alle dreckigen Nigg … „Sorry“, und er sah nicht mich an, sondern entschuldigend zum Himmel. Und alle schmutzigen Mitglieder der afro-amerikanischen Bevölkerung würden nach ihrem Ableben saubere Feen. Und folglich hätte ich jetzt drei saubere Wünsche frei.

Aber anstatt sich um meine drei Wünsche zu kümmern, wie es sich für eine anständige Fee gehört hätte – ich dachte an sauberen Sex, Suff und Rock’n’Roll –, erzählte er von der Zeit, als er mit seinem noch lebenden Hund durch die Südstaaten tingelte. Er hatte nie eine Chance ausgelassen, in einer Tanzkneipe aufzutreten. In einer Tanzkneipe gab es immer was zu essen und vor allem was zu trinken. Aber die meiste Zeit hatte er wohl im Knast verbracht. – Ohne seinen Hund? Und wo waren eigentlich …

Wo waren eigentlich damals deine Freunde, Dean Martin und Frank Sinatra?“, wagte ich zu unterbrechen.

Wer?“, fragte er zurück, ziemlich verwirrt, und rollte mit seinen hervorstehenden Sammy Davis Jr. Augen. „Ach die, ja die schmoren heute in der siebenten Hölle, Abteilung für Vergewaltiger der Sangeskunst.“

Nein, ich meine damals, als sie noch lebten. Ihr ward doch nahezu unzertrennlich?“

Sammy, die saubere Fee, dachte lange Zeit ernsthaft nach. Dann schüttelte er bedauernd seinen silbernen Kopf: „Sorry, kann mich nicht mehr daran erinnern. Anscheinend doch zu viel Alkohol.“ Er begann zu summen „Mr. Bojangles“, setzte zögernd ein paar Tanzschritte.

Ich unterbrach ihn erneut: „Ich dachte, nur Dean Martin hat so furchtbar viel gesoffen?“

Abrupt blieb Sammy stehen, ein verklärtes Lächeln huschte über sein sauberes Feengesicht: „Jetzt erinnere ich mich, ich habe sogar meinen Hund nach ihm benannt.“

Ernsthaft, nach Dean Martin oder Frank Sinatra?“

Die Weihrauchwolke löste sich auf, ohne ein Karakarabamm. Einzig und allein eine Posaune tönte aus himmlischer Höhe: „Mr. Bojangles!“ – Und ich schwöre bei meinen drei toten Hunden, das nächste Mal, wenn ich Wünsche habe, rufe ich gleich eine saubere Fee vom Begleitservice an.

sammy

3 thoughts on “Sammy Davis Jr. – Eine Geschichte von Hans-Dieter Heun”

  1. Würde Sammy – gleichermaßen treu schauend – als Hund wiedergeboren, er hätte stets auf dem Heiligen Berg Tabor eine sichere Heimat, überreichliche Ernährung inklusive.

  2. Eine entzückende Geschichte – und verfügt über Einfallsreichtum, Poesie und Lebenserfahrung. Gefällt mir zumindest sehr. Einfälle muß man haben. 🙂 Lewi

  3. Frau Lewi? Ich liebe Sie für diese aus dem Schatz Ihrer literarischen Erfahrung gewonne Kommentierung von ganzem Herzen. – Und Freund Klammer weiß nun endlich, wer der zweite Leser seines Blogs ist.

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