Nikolaus Klammer Alltägliches,Über den Tellerrand,Gastartikel,Geschichte,Glosse,Kurzgeschichte,Leben,Literatur,Roman Krebs – und trotzdem lacht der Darm (Auszug aus dem neuen Buch von Hans-Dieter Heun)

Krebs – und trotzdem lacht der Darm (Auszug aus dem neuen Buch von Hans-Dieter Heun)

Heun-DarmAAVAA-Verlag, 2014
Taschenbuch, 11,95 €
ISBN 978-3-944223-21-6
*

Am 1. September 2014 erscheint das neue Buch von Hans-Dieter Heun. Er hat mir Teile seines Werkes überlassen, von denen ich in den nächsten Wochen mit seiner freundlichen Erlaubnis ein paar Auszüge auf meinem Blog „veröffentlichen“ werde.

Wenn es wirklich stimmt, dass nur ein leidender Künstler Großes schaffen könne, dann ist Hans-Dieter Heun ein ganz großer Autor. Das kürzlich bei ihm diagnostizierte und eilig in einer Operation entfernte Darmkarzinom, über das er in seinem neuen Buch direkt auf dem Krankenlager und später während eines Kuraufenthalts im Bayerischen Wald geschrieben hat, ist nur die letzte einer langen Reihe von teilweise chronischen Krankheiten, die den Autor und Baum von einem Mann immer wieder heimtückisch und hinterrücks niederwerfen. Trotzdem rappelt er sich jedesmal auf und macht unverdrossen weiter, unterstützt von seiner Frau und einem gesegneten (Galgen)-Humor, den er auch in seinem neuen Buch wieder aufblitzen lässt.

Mit seinem tagebuchartigen neuen Werk unternimmt Heun eine Reise in sein Ich, in verschlunge Darmwindungen ebenso wie in sein Denken und sein Leben. Dass die Sachbuchbestseller gerade ein Buch mit einem ganz ähnlichem Titel beherrscht, ist dabei reiner Zufall, zeigt den Autor aber mal wieder auf der Höhe der Zeit.

Aber nun zum längeren Ausschnitt aus „Und trotzdem lacht der Darm“, der die ersten, durchaus „traum“-atischen Tage in der Kurklinik beschreibt. Viel Vergnügen!

*

Onkologische Klinik in Kellberg – Auf Reha.

Ich komme wegen eines erst kürzlich operativ entfernten Dickdarm-Karzinoms zur Regeneration, ich möchte meine Lebenskraft, so gut es eben geht, wieder herstellen … lassen.

1.Tag, Anreise

Zimmer 333, Quersumme 9, reimt sich auf Heun. Ist das ein Zeichen? Wie auch immer: Ein freundliches helles Zimmer mit einem Bad, so groß, dass eine Damenfußballmannschaft darin gleichzeitig duschen könnte. Und ich mittendrin. Beachtlicher Balkon, gemeinsam mit dem Nachbarzimmer. Wenn da also mein Wunschkurschatten, eine Rothaarige mit jadegrünen Augen und Sommersprossen auf heller Haut, insgesamt gewandet in schwingender grauer Seide – des Nachts folglich im silbergrauen Seidennegligé, kaum etwas verhüllend –, sich gleich mir regenerieren würde, nur wenige heimlich leise Schritte entfernt. Puh, einfach nicht auszudenken! – Quersumme Heun, reiß dich zusammen! Wenigstens am ersten Tag.

Abendessen, Tisch 27, Quersumme 9, schon wieder das Zeichen? – Ich bin entzückt: Kaltes und warmes Büffet nebst einer schmackhaften Salatauswahl. Ich kann also viele kleine Häppchen picken, ganz so wie ich es mag. Mir fällt auf, dass fast alle Patienten nur Wasser trinken. Etwa Heilwasser? Danach ein leichter Verdauungsspaziergang vor dem Haus, ich trau mir eine kleine Runde um einen Brunnen zu, welcher der heiligen Ottilie gewidmet ist. Spendet sie, die Freiburger Äbtissin, vielleicht das heilende Wasser? Direkt aus dem Himmel, immerhin liegt Freiburg ziemlich weit entfernt? Und ich bin doch hoffentlich nicht in einem Kloster, außerdem zu müde, um groß darüber nachzudenken. Noch ein kurzer Schwatz mit freundlichen Krankenschwestern und dann ab auf mein Zimmer, ins ergometrische Bett. Die Operation liegt gerade einmal vierzehn Tage zurück, alles ist noch verdammt anstrengend.

Schafe.

Halb drei Uhr morgens, ich bin putzmunter. Gut, lassen wir den munteren Putz beiseite, ich liege wach. Was tun? Zu früh, um den Tau von den umliegenden Wiesen zu schöpfen und meinen Körper mit reiner Natur zu waschen. Ich probiere es mit Schäfchen, die ich über einen Zaun springen lasse – möchte die flauschigen Bählämmer dabei zählen. 264 Schafe sind schnell ausgedacht, ein Schäferhund und der dazugehörige Schäfer auch. Der Schafhirte raucht in seiner Pfeife gewisse einheimische Kräuter, sicherlich mit Bewusstsein erweiternder Wirkung. Er lehnt auf einem Hirtenstab. Ein Priester? – Heun, konzentrier‘ dich auf die Schafe und den Zaun!

Einen Zaun habe ich noch nicht, aber ich kann mir gedanklich einen bauen. Etwa einen nach guter alter Art, als Adenauer noch Bundeskanzler und die Welt der Zäune somit noch in Ordnung war. 6 Meter lang und 160 Zentimeter hoch, das sollte reichen, den Schäfchen die Zwangsvorstellung zu verleihen, sie müssten unbedingt über meinen Phantasiezaun springen. Ich bräuchte also drei dicke Holzpflöcke, 2 Meter hoch und zirka 25 Zentimeter Durchmesser, um insgesamt 6 Fichtenbretter, diese 3 Meter lang, 30 Zentimeter hoch und 2 Zentimeter breit, bei 20 Zentimeter Zwischenraum anzunageln. So ein von Hand genagelter Holzzaun dürfte doch jedes Schaf, welches auf sich hält und noch mit einigermaßen guten Sprungkräften gesegnet ist, reizen, den ultimativen Schlafsorgehupf zu wagen.

Ich ramme also mit einem erdachten Vorschlaghammer die Pflöcke 40 Zentimeter in die Erde, solches ist anstrengend … aber wie … ich werde, bin müde … und

2. Tag

Amsel, Drossel, Fink und Star nebst der übrigen Vogelschar brüllen vor meinem Fenster. 6 Uhr 30, ich torkele unter die warme Dusche, die Damenfußballmannschaft, wohl besser Fußballfrauschaft, ist nicht vorhanden. Möglicherweise bereits abgereist? Auch trocknet kein rothaariger Kurschatten – heimliche Schritte aus dem Nachbarzimmer über den Balkon hin zu mir – meine Blöße. Dafür wartet im Speisesaal ein geradezu opulentes Frühstücksbüffet auf mich, allerdings ohne meine selbst komponierte und heiß geliebte Rhabarber-Marmelade.

Pünktlich um 9 Uhr werde ich im Wartezimmer von einer sympathischen Ärztin – ich liebe Ärztinnen! – zum medizinischen Aufnahmegespräch abgeholt. Ganz entspannt und ohne Zeitdruck unterhalten wir uns über meine verschiedenen Klagepunkte und wählen diverse, hoffentlich helfende Therapien aus. Ich, versponnener Esoterikfreak, freue mich besonders auf Traumreisen mit einer Psychologin. Ich glaube, ich liebe auch die Psychologin, schon jetzt.

Anschließend wird meine teils noch offene Operationsnarbe im Schwesternzimmer neu verbunden … Was heißt verbunden: gereinigt, gepflegt von unendlich sanften Händen. Ergo hingabevoll verwöhnt und der Heilungsverlauf sogar fotografiert. Gedanken an die eine Rothaarige kommen bei dieser schwesterlichen Sanftheit nicht auf.

Mittagsschläfchen genossen, ich wage mich an einen Spaziergang durch den Park. Es gibt Skulpturen, Kunst, kenntlich an hinweisenden Schildern. Bereits der Deutschen Dichterübervater Goethe sagte, dass zwischen einem Kunst-Schaffenden und einem Kunst-Aufnehmenden ein nahezu erotisches Verhältnis bestehen muss. Zu dem Heiligen Franz von Assisi, dargestellt mit Schafen aus gewollt rostigem Eisenblech, herrscht von meiner Seite aus kein derartiges Verhältnis. Vielleicht zu der Heiligen Ottilie, die, wie bereits erkundet, mitten im Park eine mineralreiche Quelle sprudeln lässt. Ob sie bei so vielen Mineralien und Spurenelementen gar rothaarig, rosthaarig gewesen ist, die heilige Ottilie?

Nach dem an meinen Kräften zehrenden Rundgang gönne ich mir in der Cafeteria einen Cappuccino. Belohnungen heben das allgemeine Wohlbefinden. Wichtig, wie anschließende Begrüßungsvorträge immer wieder betonen. Belohnung ist gleichfalls das abendliche Büffet, ein mittlerer Fels fällt von meiner unsterblichen Seele: Ich vermag mich mir gemäß zu ernähren.

Erneut ein die Beweglichkeit stärkender Rundgang, dann aufs Zimmer, etwas unkonzentriertes Fernsehen und schließlich mit den letzten Medikamenten in mein wartendes Bett.

Schafe.

Halber Drei, hellwach, aber der Zaun ist fertig. Und die 264 Schäflein nebst Schäferhund und guter Hirte warten nur darauf, drüber zu springen. Sollen sie: links mit allen Vieren loshüpfen, durch die Luft fliegen – die Vorderbeine graziös angezogen, die Hinterbeine elegant gestreckt –, etwa 40 Zentimeter über den 1,60 hohen Fichtenbretterzaun schweben und nach ungefähr 7 bis 15 Metern auf der von mir, den Schlaf unbedingt Wollenden, aus gesehenen rechten Seite sicher landen.

Bei dem Schäfer funktioniert solches wohl kaum. Erstens ist der wegen Rauchens einheimischer psychedelischer Kräuter für jeglichen Sprung noch zu bekifft. Und hat man zweitens schon jemals einen guten Hirten auf allen vier Pfoten über einen Zaun hüpfen sehen? Nein, hat man nicht.

Der Schäfer auf Droge braucht folglich ein Tor im Zaun, durch das er verletzungsfrei torkeln kann. Eine Tür, befestigt mit 6 Türzargen, die gleichmäßig in das Fichtenholz geschraubt werden wollen. Trotz aller reichen Phantasie vermag ich mir jedoch keinen Akku-Schrauber vorzustellen. Ich muss gedanklich also zu einem ganz normalen Schraubenzieher greifen, insgesamt 18 Löcher markieren – pro Türzarge 3 – und dann schrauben … schrauben … das ist furchtbar anstrengend … ich werde müde … und

3. Tag

8 Uhr 30, ich bekomme Wickel. Nein, ich bin keine Mumie, noch nicht. In einem großen lichten Raum im Therapiebereich mit vielen Liegen, durch leichte helle Vorhänge voneinander getrennt, darf ich mich betten, dann werden meine beiden Beine einzeln mit eiskalten nassen Tüchern umwickelt und bedeckt. Die wickelnde Dame erklärt, solches wäre gut, um Stau abzubauen und für die Leber. Dann macht sie das Licht aus. – Wenn ich bedenke, wie oft man im Stau steht, gänzlich ohne eiskalte Wickel. Wie muss da die Leber leiden!

Ich schlummere leicht weg und genieße einen kurzen Traum. Eine wunderschöne Rothaarige unterhält sich mit einem Schaf, das Schaf spricht: „Hätte ich nur ebenfalls so tolle rote Wolle, würde ich mir einen reichen Schafbock mit einem Ferrari angeln und …“ Die Rothaarige unterbricht: „Mähäääh!“ Jemand zupft an meinem Arm: „Entschuldigung, aber Sie schnarchen gar fürchterlich.“

Nach dem obligatorischen Mittagsschläfchen unternehme ich eine erste größere Wanderung: 10 Minuten nach rechts – wohin? – und 10 Minuten, hoffentlich, zurück – woher? Die angestrebte Heilung bestimmt die Zeit. Gewandet in ausgebeulten Trainingshosen, aber mit super schickem Anorak komme ich an einen Teich mit wilden Enten und sanften Büffeln vorbei. Die Büffel tragen unterschiedliche Felle wie aus Wolle. Vielleicht könnte ich ja die Büffel statt der Schafe über meinen Schlafhilfezaun springen lassen?

Der Weg führt leicht bergab in einen Wald hinein. Und später zwangsläufig auch steil bergauf aus jenem Wald heraus. Was ist, wenn ich zwischen den Urwaldbäumen schlapp mache und mich niemand rechtzeitig findet? Ausgerechnet ich neben schmackhaften Büffeln verhungere? Ob man mir wenigstens ein Gedenkschild am Wegesrand gönnt: Wanderer, kommst du nach Kellberg, sage, du hast ihn liegen gesehen, wie es sein Dickdarm befahl?

Später beim Belohnungs-Cappuccino erzählt mir der Herr über Kaffeemaschine und Kuchentheke, das Büffelfleisch würde durchaus in der Klinikküche verarbeitet. Gut so: Ich wünsche mir einen saftig sanften Büffelschwanz und die Büffelkopfbacken in Burgunder, Knoblauch und Rosmarin geschmort.

Erneut zurück in meinem Zimmer lese ich Boshaftes von Thomas Bernhard. Ein Satz springt mich geradezu an: „Einer der größten Irrtümer der Menschheit besteht darin, dass man glaubt, wenn man nicht schreibt, würde man nicht existieren.

Ich schreibe und hoffe, noch möglichst lange zu existieren.

Schafe.

Endlich springen sie. Leider nicht von links nach rechts, wie erhofft, sondern kreuz und quer durcheinander, übereinander. Schier unmöglich, sie ordentlich zu zählen. Einige der saudummen Viecher … Ist eine Sau dumm? Oder ein Schaf, das immerhin meinem überragenden, wenn auch Schlaf fordernden Geist entstammt?

Noch einmal: Einige der lieben Tiere rennen sogar über das 20 Zentimeter schmale Fichtenbrett, als ob es eine Schafautobahn wäre. Das muss doch schief gehen! Und richtig, ein besonders dickes Exemplar rempelt ein besonders süßes, goldiges Schäfchen rüde an, das fällt vom Zaun und bricht sich den Hals. Notschlachtung! Schließlich besitzt so ein goldiges Schäfchen auch einen besonders guten Geschmack.

Ich phantasiere mir ein Messer – ein Messer macht Sinn, schneidet und teilt in Portionen. Ich setze den ersten Schnitt, ziehe dem leckeren Tierchen das Fell über die Ohren … fachmännischer: Ich schlage das Tier aus dem Fell … das ist anstrengend … ich ermüde rasch, obwohl ich doch nur den Schafschwanz und die Schafskopfbacken, geschmort in Burgunder, Knoblauch und Rosmarin, vertilgen möchte … Letzter Gedanke: Sollen doch die anderen schlaflosen Patienten sich ihr eigenes Schäfchen ausdenken und notschlachten … Allerletzter vor dem Wegnicken: Schluss mit den scheiß Schafen, dem nächtlichen Schafscheiß, ab morgen lieber eine Schaftablette.

4. Tag

Blutabnahme, Narbenkontrolle und achtsames Verbinden einer noch offenen, nässenden Stelle, Sonographie sowie Fußwechselbad brauchen den Vormittag auf. – Ich muss mich im Land der Sanften-Finger-Frauen befinden, ich merke allenfalls den Flügelschlag eines Schmetterlings, wenn die pflegenden Damen meine Haut berühren. Und der Flügelschlag eines Schmetterlings soll ja bekanntlich einiges bei einem Mann bewirken … oder an dem, was noch so an ihm hängt. Da fällt mir auf, etwas ist anders mit mir geworden. Ich grübele, was. Schuppen fallen von meinem Denkapparat: Seit 6 Uhr morgens habe ich nicht an eine Rothaarige gedacht. Muss ich mir insgesamt um meine Männlichkeit Sorgen machen?

Selbst die Leber zeigt sich laut Sonographie unauffällig. Kein Wunder bei dem vielen Wasser, gespendet von der heiligen Ottilie, das ich auf die Leber schütte. Würde man mich derart oft duschen wollen – selbst wenn mich die rothaarige Ottilie in eigener heiliger Person begießen täte –, hätte ich auch keine große Lust, mich auffällig vorzudrängen.

Die Wanderung am Nachmittag in den nahen Wald fällt mir heute nicht leicht. Die Sonne sticht mir auf den kurz geschnittenen Kopf, der Anorak ist zu warm, ich atme schwer. Sanfte Büffel und wilde Enten, mit denen ich mich über den Sinn des Lebens unterhalten wollte, lassen sich nicht sehen. Als mich ein Regenwurm überholt, habe ich die Schnauze voll, schleppe mich zurück auf mein Zimmer und lese Boshaftes von Thomas Bernhard:

Wer einem Arzt glaubt ist verloren
sagte Vater
sich mit einem Arzt einzulassen
bedeutet nicht weniger als sich mit dem Tode einlassen
Wenn wir uns den Ärzten ausliefern
sind wir dem Tode geweiht
Ist es ein Arzt der uns begegnet
so ist es am besten wir gehen ihm gleich aus dem Wege
wir ersparen uns dann entsetzliche und zumeist
lebenslängliche Leiden
und entkommen in den meisten Fällen auch dem Tode
Die Ärzte sind die Zulieferer des Todes sagte Vater
Ja wenn wir sie nur zu dem Zwecke brauchen
dass sie uns auf unseren Befehl sozusagen
den Blinddarm herausschneiden oder ein Bein absägen
weil wir sonst auf alle Fälle zugrunde gingen
aber sonst
der Umgang mit den Ärzten ist der gefährlichste

Aha, den Blinddarm herausschneiden und nicht ein Krebsgeschwür am Dickdarm. – So oder so mag ich Thomas Bernhard nicht zustimmen, schließlich lebe ich noch dank des Wissens und der Kunst hervorragender Ärzte.

Wie bereits geschrieben: Heute Nacht keine Schafe, statt ihrer nehme ich eine Schlaftablette … obwohl diese bestimmt nicht so schön springt.“

8 thoughts on “Krebs – und trotzdem lacht der Darm (Auszug aus dem neuen Buch von Hans-Dieter Heun)”

  1. Innigen Dank, wahrhaft guter Freund Klammer. – Ich habe meine Gedanken unmittelbar während des mir Geschehenen oder gleich danach notiert und mir keinerlei Gedanken darüber gemacht, ob diese Gedanken gedanklich korrekt sind und beim Leser ebenso korrekt ankommen – ebenfalls, ob rechts oder links korrekt geschrieben. Einen Lektor, der diesen Bericht möglicherweise auf Allgemeingeschmack getrimmt hätte, habe ich nicht bemüht, wollte authentisch bleiben. Allerdings hege ich linke Gedanken schon lange nicht mehr. Links steht bekanntlich der Geist, und ich bin immer noch rechtes Fleisch.

  2. War mir ein Vergnügen – wie immer.

    Den einen oder anderen Tippfehler habe ich „recht linkisch“ ausgebessert. Für die Buchausgabe wird diese Aufgabe wohl dein Verlag übernommen haben, hoffe ich.

  3. Eher nicht, ist ein ebenso wortarmer Verlag, wie ich ein armer Poet bin. Oder sogar der allerärmste. Trotzdem: Ein Autor muss Gott für alles danken, selbst für Krebs und arme Gedanken …

  4. Schade, denn dass du z. B. Herrn Bernhard das „h“ und Cappuccino ein „c“ gestohlen und die Kräuter „psychodelisch“ waren, schmälterte ein wenig das Lesevergnügen. Du weißt ja, im Eifer des Gefechts geht es mir wie dir und ich ärgere mich immer, wenn mir ein Tippfehler auskommt.
    Dass dein Verlag das Manuskript so übernommen hat… wundert mich.

  5. Leider entspreche ich nicht mehr dem Anforderungsprofil der ‚richtigen‘ Verlage: weiblich, blond, zwischen 18 und 25 mit schweren Störungen, sowohl an Seele wie auch an irgendwelchen Körperöffnungen. Ich bin uralt, zwar noch einigermaßen volles Haar und Waschbrettbauch, wenn auch leicht gerundet, aber bereits triefäugig und überwiegend vergesslich, schreibe wohl auch zu schlecht. Außerdem wollen ‚richtige‘ Verlage ihre Schreiberlinge pflegen – wie ich aus diversen Absagen, Abfuhren, gelernt, was auch immer das bedeuten mag –, und solches ist bei einem krebskranken Schriftsteller unter Umständen bald verlorene Liebesmühe.
    Nein, der AAVAA Verlag, menschlich durchaus schwer in Ordnung, bietet seinen Autoren nach einer Prüfung durch einen Lektor im Ruhestand auf Inhaltsaussage ‚nur‘ eine Plattform, ihre Manuskripte kostenlos veröffentlichen zu können. Weiterhin hilft er beim Satz und der optischen Gestaltung, macht nach Erscheinen bei den gängigen Grossisten und im Internet Werbung. Um korrekte Rechtschreibung sollte sich der Verfasser selbst bemühen, bekommt den vorläufigen Drucksatz zu einer letzten Korrektur und muss dann sein Placet geben. – Ich habe mir die Kalkulation angesehen, ein Lektorat ist einfach nicht drin, den Hauptteil der Einnahmen beanspruchen tatsächlich die Auslieferer, vor allem der kaum zu übergehende Gigant Amazon. Aber, ich frage, ist dieser Weg nicht besser, als sein Werk in der berüchtigten Schublade verstauben zu lassen? Ich jedenfalls bin ihn schon zweimal gegangen und werde ihn, wenn ich denn noch kann, weiter beschreiten.
    Selbstverständlich ist mir bewusst, dass sich das Manuskript bereits im Kopf des Autors eingebrannt hat und er stets vorhandene Fehler einfach nicht sieht, wieder und wieder übersieht. Menschlich eben. Aber in diesem Buch ging es mir auch um Authentizität. Ich schrieb am Krankenbett und auf Reha einfach los. Was mir gerade in den Sinn kam, musste raus. Und selbstverständlich gebe ich auch zu, den Text heute am Schreibtisch möglicherweise ganz anders zu schreiben, ihn eventuell mit großartigen Gedanken anzureichern. Etwa über den Sinn des Lebens überhaupt oder warum Vegetarier öfter Darmkrebs bekommen als Fleischgenießer. Dann gäbe es vielleicht auch weniger Flüchtigkeitsfehler, nur die echte Unmittelbarkeit wäre wohl unwiderruflich dahin.

  6. Ich danke dir für deine ausführliche Antwort, die an dieser Stelle hoffentlich nicht untergeht. Lass uns gemeinsam jammern über diese böse, kalte Welt, die so großartigen Autoren einfach die schnöde Schulter zeigt. Ich bin gerade in der Stimmung. (Sommersonntagsdepression)

  7. Wir sind in Bayern. Da genügt ein Bier. (Und Frau Klammerle, die mich gerade 20 Kilometer auf dem Rad durch den Wald hetzte)

Kommentar verfassen

Related Post

Am Wegesrand (V)Am Wegesrand (V)

Diese Aufnahme enstand zwischen den Jahren bei einer kurzen Stippvisite im Niederbayerischen Kurort Bad Birnbach. Ich werde nächste Woche in einem Blogartikel Genaueres über meinen Ausflug berichten. In dieser etymologischen

Entdecke mehr von Nikolaus Klammer

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen