Die eine Stunde kann doch nicht so schrecklich sein.
Es ist eine bodenlose Unverschämtheit, dass jeder Tag, egal ob er schön oder hässlich, regnerisch oder sonnig, arbeitsreich oder faul zu werden verspricht, mit einem morgendlichen Erwachen beginnen muss. Ich habe bereits ausführlich darüber gejammert, wie sehr mich diese Tatsache belastet und quält. (1) Zu keiner Stunde des Tages fühle ich mich älter und schwächer, nie weniger Mensch und lebendig. Nie ist mein Grauen vor dem Tag größer als beim Grauen vor dem Morgen aufzustehen. Ich weiß, ich sollte nicht so viel jammern und zagen; manch einer wäre wahrscheinlich froh, wenn er meine Probleme hätte. Das Leben ist eben kein Zuckerschlecken; wie ich im strengkatholischen Religionsunterricht von einem “Watschen”-affinen Pfarrer erfahren durfte, ist es ein Ort der Prüfung und des Bewährens. Als Gott wegen eines angeknabberten Apfels die beleidigte Leberwurst spielte und stinkebeleidigt Adam und Eva aus dem Paradies vertrieb, gab er ihnen ja folgenden Fluch mit auf ihren steinigen Weg in den Alltag: “Mit Schmerzen wirst du Kinder gebären. Mit Schweiß wirst du dein Brot verdienen und des Morgens in aller Frühe aufstehen müssen.” So steht es in der Bibel, zumindest so ungefähr. Da war es vorbei für die beiden mit dem müßigen Dösen unter einem Palmwedel bis in den späten Vormittag hinein und mit ihnen wurde die ganze Menschheit mit dem Erwachen zu nachtschlafender Zeit gestraft. Seitdem bedeutet Aufstehen Krieg, es ist eine von Gott verhängte Prüfung. Selbst im Grab lässt er uns nicht in Ruhe damit, irgendwann klingeln die Wecker von Harmagedon und es ist Auferstehung. Ich möchte nicht wissen, wie ich da aussehe, nachdem ich ein paar tausend oder ein paar Millionen Jahre unter der Erde geschlafen habe(2); wahrscheinlich aber nicht einmal wesentlich schlechter als heute morgen, als ich mich nach einer viel zu kurzen Nacht im Badezimmerspiegel wiedersah.
Warum erzähle ich das alles? Nun, wie alle wissen, ist die Nacht von Samstag auf Sonntag eine Stunde kürzer; das heißt – wenn ich mich nicht mal wieder irre -, dass die Uhren sechzig Minuten vorgestellt werden müssen und es dann beim Aufstehen statt 6 Uhr 5 Uhr morgens ist, also eigentlich 7 Uhr, wenn ich vergesse, den Wecker umzustellen. Werde ich verstanden? Gut, denn ich kapiere es selbst nicht so genau. Auf jeden Fall habe ich dann nämlich verschlafen.
Also muss ich durchs Haus rennen und alle Uhren vorstellen. Das ist ein bedeutender logistischer Aufwand für mich, da ich an einer leichten Form von AHDS leide und deshalb Uhrenfreund, ja, Uhrenfetischist bin und durchschnittlich in jedem Zimmer drei Zeitmesser nachregulieren muss. Das zieht sich: Ich beginne im Keller bei der Heizung (Frau Klammerle erwartet warmes Wasser, wenn sie zum Frühdienst aufstehen muss) und der ungünstig angebrachten Uhr über der Werkbank, kämpfe mich dann durch die Küche und das Wohnzimmer, (drei normale Uhren, Herd, Kaffeemaschine, Videorecorder, Internetradio), Schlafzimmer (zwei Wecker), Badezimmer (eine Uhr), zwei Arbeitszimmer (PC’s, Wanduhren, meine legendäre Sammlung an nicht läutenden Weckern), Toilette, Zimmer von Sohn Nr. 1 und Nr. 2. Dann gibt es noch diverse Armband-Uhren, Uhren in Thermometern usw. Nicht zu vergessen: Die Uhren in den Autos, deren Umstellen alleine schon eine größere Aktion ist, da ich von Herbst bis Frühjahr und von März bis Oktober immer wieder vergesse, wie das funktioniert. Da ich nicht mehr wie früher nachts um 02:00 Uhr aufstehe (3), sondern diese Arbeiten, die sich gut eine halbe Stunde hinziehen, schon tagsüber erledige – meist am späten Nachmittag – mache ich mich bei Frau Klammerle nicht beliebt, weil sie dann schon eine Stunde zu früh die Nachrichten einschaltet – also eigentlich um 8 Uhr, aber das ist ja jetzt das neue 7. Ich habe es schon oben erklärt.
Am Sonntag ist dann Ruhe, man steht dann eben um 10 Uhr und nicht um 9 Uhr auf und alles hat funktioniert. Das Wochenende ist dadurch zwar eine wertvolle Stunde kürzer, aber dafür ist es jetzt am Abend länger hell. Und da für Sonntag 25 ° C angekündigt sind, kann Familie Klammerle endlich angrillen (vegetarisch, versteht sich, Herr Heun(4)). Also alles wunderbar. Nein, das ist es durchaus nicht: Nachdem es jetzt morgens endlich hell war beim Aufstehen, herrscht in der nächsten Woche wieder finsterste Nacht. Ich bin überzeugt, dass es nicht Teil der Strafe des Herrn war, dass man im Dunkeln aufstehen muss, so herzlos kann selbst ein wutentbrannter Gott nicht sein. Ich werde Wochen benötigen, bis ich mich an die Zeitumstellung gewöhnt habe und werde zusätzlich zur normalen Frühjahrsmüdigkeit mit dumpfer Unausgeschlafenheit, Konzentrations- und Konditionsschwäche, allgemeiner Unlust, mit unmotivierten Depressionsschüben und spontanten Büronickerchen zu kämpfen haben. Wie ein Zombie werde ich bis in den Mai hinein durch den Tag torkeln und Unmengen Kaffee trinken. Da ich meist Vormittags schreibe, wird auch die Qualität meiner Blogartikel und meiner Literatur in der nächsten Zeit stark leiden. Aber ich muss sie ja nicht lesen.
Dies nur als Warnung. Und jetzt werde ich mich ein Stündlein in die Sonne legen und mich auf morgen vorbereiten…
_______________
(1) Das Lied des Weckers – Teil 1
(2) Im Gegensatz zu vielen anderen Leuten ist mir der Tag des Weltuntergangs nicht von höheren Mächten ins Ohr geflüstert worden und ich werde mich hüten, irgendwelche Mutmaßungen über ihn anzustellen. Es sollte mich jedoch nicht wundern, wenn er an einem Mittwoch stattfinden würde.
(3) Was jedesmal das Problem mit sich zog, auf welche Uhrzeit ich den Wecker stellen sollte.
(4) Und auf diesem Weg noch einmal eine gute Besserung, Hans-Dieter! Bis bald auf diesen Seiten.