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Ausgeliefert…

Künstler! He! Was ist deine Kunst?

Du willst es wissen, ich will es dir sagen. Schau, ich liebe es, ein Streichholz anzuzünden. Das gibt mir das Gefühl uneingeschrängter Macht, einen wahrhaftigen, überwältigenden Orgasmus tyrannischer Macht. Ich nehme die Schachtel voller Zündhölzer in die Hand. Sie ist leicht, geradezu lächerlich in ihrer Harmlosigkeit und Ausgeliefertheit an mein Gutdünken und öffne sie. Da habe ich dann das Gefühl:  Wenn ich die Streichhölzer aufgebahrt liegen sehe mit ihren blutigen Köpfen, wie in einem Massengrab! Und dann, versteh mich recht, greife ich mit drei Fingern hinein. Aber das ist nicht irgendein Hineinfassen, das ist – eine historische Tat, wie der Schwerthieb Alexanders, der den Gordischen Knoten zertrennte. Ich schließe die Schachtel mit einer Hand, denn in der anderen halte ich ja das winzige Stück Holz hocherhoben in meiner Klaue. Ich stehe da wie ein Mahnmal; wie die Statue der Libertas. Ich erwache aus der Erstarrung. Es berühren sich mit lässiger, aber zielgerichteter Bewegung die Reibefläche und der explosive Schwefelkopf. Sie heiraten in stiller Verzückung für Augenblicke. Die Hand rutscht ab, erschreckt scharrt es kurz, dann knistert der Phosphor trocken auf und wenn ich dann das dünne Holz wieder aufrichte, entzündet es sich. Die geordnete Welt birst auseinander, Feuergarben züngeln spielerisch empor, wie eine Fackel halte ich die Flamme hinauf zu den Sternen, rufe ihnen zu:

“Was ist euer gleichgültiges Licht gegen den Brand, den ich euch entgegensetze. Seht mich ruhig an! Hier in meiner Hand trage ich die Zerstörung Roms und die Wärme der Frierenden. Ich bin der Weltenbrand, bin Tod und Leben, hier in meiner Hand halt ich beides! Ich bin Gott!”

Schau, das ist meine Kunst.

Künstler, du machst dich lustig.

Freilich! Das ist meine Kunst.

Streichholz

Diedorf

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