Gedanken zum Blog

Dum spiro, spero.
M. Cicero

Freilich hatte ich vor neun Monaten, als ich aus einer Augenblickslaune heraus meinen Blog „Aber ein Traum“ startete, die leise und zaghafte Erwartung, er würde erfolgreich und beliebt sein. Er sollte mein kleines tapferes Licht sein, das die Motten der Kultur aus dem Internet anlocken würde. Menschen wollte ich über ihn kennenlernen, literarisch oder kulturell Interessierten und Autoren begegnen, mich austauschen, Kontakte pflegen, einen Treffpunkt für Freunde und Bekannte schaffen und Menschen wiederfinden, zu denen ich den Kontakt verloren habe. Ich wollte aus den gesammelten und noch einmal überarbeiten Artikeln E-Books machen. Vielleicht würden Schriftsteller Gastartikel schicken oder sogar ein Verlag Interesse bekunden.

Ich habe mich – welch Verirrung! – für ein halbes Jahr überreden lassen, im Jahrmarkt Facebook aufzutreten und mich dort in einer literarischen Gruppe zu prostituieren, was sich als vollkommene Fehlinvestition an Zeit und Emotion herausstellte, mein inneres Gleichgewicht und meinen Familienfrieden ernsthaft bedrohte. Ich bin noch nie so vielen kranken Seelen begegnet. Homo homini lupus. Gefahr war in Verzug. Durch einen harten Schnitt habe ich mich inzwischen von diesem Nachfolger von Kronos, der seine eigenen Kinder frisst, wieder getrennt.

Das alles war nichts weiter als eine hübsche, buntschillernde Seifenblase der Hoffnung. Sie ist geplatzt. Um der Wahrheit ins ungeschminkte Auge zu sehen: Niemand interessiert sich ernsthaft für meine Literatur, nicht einmal meine Freunde und meine Familie besuchen den Blog und lesen meine Essays, Glossen, Erzählungen, Kurzgeschichten. (Du bist die Ausnahme von der Regel, Hans-Dieter. Danke!). Die Zugriffe sinken von Monat zu Monat. Texte, in die ich viel, viel Arbeit gesteckt habe, mein geliebter Roman „Brautschau“, Freitagsaufreger, Wochenlesen – Tag für Tag gepostet – sie alle „versenden sich“, wie man das beim Fernsehen nennt, verschwinden rasend schnell ohne Leser und Kommentar im Orkus des Netzes, wo sie höchstens ein Google-Fehlgriff wieder nach oben befördert.

Nun kann es sein, dass mein Blog im Überangebot des Internets einfach untergeht; eine Stimme mehr im hysterisch brüllenden Chor des Welttheaters; sie wird nicht gehört, so schön oder falsch sie auch singt. Mir fehlen freilich auch die analogen Netzwerke, die „Beziehungen“, die weiterempfehlen und Werbung machen. Meine Texte werden nicht geteilt, nicht diskutiert. „Aber ein Traum“ ist offenbar eine kleine, triste Insel, zu der sich nur selten zufällig ein Schiffbrüchiger verirrt, der froh ist, wenn er sie wieder verlassen kann.

Vielleicht ist mein Schreiben auch einfach schlecht. Ich hatte noch nie Publikum für meine Texte, habe nie veröffentlicht, mir alles selbst beigebracht, war auf keiner Schreibschule, betrieb nie Journalismus, habe weder Literatur noch Germanistik studiert. Mag sein, dass ich vollkommen daneben liege, mich selbst überschätze und nur Abfall produziere, eher belästige als erfreue und sich niemand außer Jan Laue-Weltring (siehe: Kritik) traut, mir die Wahrheit zu sagen. Wenn dem so ist, kann ich froh sein, dass ich durch meinem Brotberuf in Wohlleben existieren kann und nicht vom Schreiben leben muss. Dann sollte ich diesen Blog allerdings schnell schließen, wenn ich mich nicht weiter lächerlich machen will.

Trübe Gedanken! »Herr Kästner, wo bleibt das Positive? Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt.« In einer Woche werde ich 51 Jahre alt und man mag glauben, ich befände mich in einer meiner Midlife-Krisen. Der Quartalsjammerer wälzt sich mal wieder in Selbstmitleid und beschwört eine unnötige Depression herbei. Dabei war doch der Blog meine Rettung aus einer solchen. Denn sein Verdienst für mich war und ist, dass ich durch ihn nach 20 Jahren des hilflosen Schweigens, der Angst vor dem leeren Papier, wieder in den Schreibfluss getaucht bin, der mich täglich weitertreibt und zu neuen Ufern trägt. Die dürren Jahre sind vorbei, ich zehre nicht mehr von den Vorräten. Jeden Tag entsteht ein Text und ich überarbeite die alten – auch die hier im Blog erschienen sind nicht statisch und niemals fertig. Ich betrachte „Aber ein Traum“ als einen Arbeitsordner, in dem ich sauber meine Texte sortiert habe, an denen ich aber weiterhin feile und korrigiere. Der Blog spiegelt inzwischen sehr genau mein Schaffen wieder, auch wenn viele Geschichten und Romane noch nicht in ihn Eingang gefunden haben.

Ich habe den irrigen Gedanken des Beginns, dass ich ein Publikum enttäusche, wenn ich hier nicht tagtäglich ein Lebenszeichen von mir gebe, endlich aufgegeben. Aus diesen Gedankengängen heraus werde ich den Blog in der nächsten Zeit etwas umstellen und verändern, ihm vielleicht auch ein neues Design verpassen. Demnächst werde ich wieder beginnen, weitere Teile des Romans „Aber ein Traum“ zu posten, das dritte Kapitel vollständig einstellen und die ersten beiden schrittweise in überarbeiteter Form veröffentlichen, danach das vierte Kapitel einstellen. Mein Ziel ist, den Roman im Jahr 2014 zu vollenden.

 Das Download-Angebot der Texte als PDF werde ich wahrscheinlich streichen, denn es wurde kaum angenommen. Ob ich „Brautschau“ nach dem 5. Kapitel als Dienstagsroman weiterführen werde (das ist ein Drittel des Romans), glaube ich nicht, denn Hethas und Halfs Abenteuer sind die am wenigsten aufgerufenen Texte des Blogs. Ich werde mich von den strengen Einteilungen (Freitagsaufreger, Wochenlese, etc.) lösen und, ja, auch seltener neue Beiträge posten.

Der Januar meines Missvergnügens ist endlich vorbei. In diesem Sinne mag ein ertragreiches Neues Jahr beginnen.

Nikolaus Klammer

moi3

4 thoughts on “Gedanken zum Blog”

  1. Na dann warten wir mal auf Deine Erneuerung. – Du hattest Deinen lauen Jörn, der sich mit etlichen Worten wenig geistreich ständig selbst wiederholt, und ich immer noch meine herzigen Streits. Aber treiben uns die Kritiker aus der untersten Schublade nicht auch immer wieder und weiter an?

  2. Tja, um meinen Freund Lichtenberg zu zitieren: „Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?“ Und was die Neuerungen angeht… Ich bin schon ganz wuschig. Demnächst gibt es hier auch mal eine Lesung einer Kurzgeschichte zu hören, auch wenn ich damit das 6. Gebot für Schriftsteller breche.

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