Nikolaus Klammer Alltägliches,Aufreger,Der Autor,Leben,Literatur Der Freitagsaufreger (XVIII) – Das Lied des Weckers Teil 3

Der Freitagsaufreger (XVIII) – Das Lied des Weckers Teil 3

Wie mir im Vertrauen von einer treuen Leserin mitgeteilt wurde, lässt sie mein inzwischen durch zwei Fortsetzungen breitgetretenes Lamento über meine dramatischen Mittwochmorgenprobleme vollkommen gleichgültig. Denn schließlich hätte ja nur ich ein Problem mit meinem frühen Aufstehen. Da sei ihr Mitleiden doch überschaubar. Es bewahrheitet sich mal wieder der alte Spruch: „Lachst du, dann lacht die Welt mit dir. Weinst du, so weinst du allein.“
Deshalb werde ich mit der heutigen Lieferung diese Geschichte zum Ende bringen, obwohl ich als anerkannt ausufernder Epiker noch so viel zu jammern hätte und mein Problem weiterhin ungelöst bleibt. Aber ich bin auch der Diener meiner Leserschaft. Daher wird der nächste Freitagsaufreger – und das verspreche ich hiermit – wieder ein allgemein gültiges brisantes gesellschaftspolitisches Thema ersten Ranges behandeln, das allen Lesern, ja, der gesamten deutschen Bevölkerung unter den vor Spannung abgefressenen Fingernägeln brennt. Es steht nämlich momentan die quälende Frage im Raum, warum
sich Frau Klammerle als Spielzeug eine komplizierte Kaffeemaschine kaufte, ich mir aber keine neue X-Box anschaffen darf. Zudem beschäftigt mich, warum die NSA meine Brille versteckt hat und ob dies etwas mit den Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD zu tun hat.
Aber jetzt auf zur letzten Schlacht um die Morgenhoheit:

3. Höhepunkt und Coda

Dienstag, 07. Oktober bis Mittwoch, 08. Oktober 2013,
eine lange Nacht
Tagebuch der Familie Klammer

„Also die Idee mit dem Smartphone war nicht direkt überzeugend“, argumentierte ich gestern, am Ruhe-vor-dem-Sturm-Dienstag. Frau Klammerle zuckte mit den Schultern.

„Die Tastfelder sind einfach zu fummlig“, gab sie dennoch zu. Politik beherrscht sie wie die Kanzlerin: Dem Gegner in Kleinigkeiten rechtgeben, aber in der Sache festbleiben. „Doch ich habe die ideale Lösung gefunden: Ich werde deinen Wecker benutzen. Der ist einfach zu bedienen und überhaupt: Eigentlich war ursprünglich mal meiner.“

Damit hat sie recht. Argumentativ ist sie mir immer einen Schritt voraus. Früher hatte ich einen Radiowecker, der mich entweder mit hysterisch munterem Morgengequassel (siehe hier) oder mit dem ersten Lied einer eingelegten CD weckte. Nachdem er mich zum 264. Mal mit Come on up to the house von Tom Waits geweckt hatte, flog er an die Schlafzimmerwand. Ich erbte dann die Funkuhr meiner Frau.

„Aber du hast ihn mir vor vier Jahren gegeben, weil du dir einen viel besseren gekauft hast! Und dann habe ich doch keinen Wecker mehr! Ich muss mittwochs schließlich auch wahnsinnig früh raus!“

„Schnickschnack! Mein Wecker ist kaputt, also nehme ich meinen alten wieder zurück. Du brauchst doch gar keinen Wecker, du bist doch eh schon immer wach. Oder du stellst ihn dann noch einmal.“

„Ich bin wach, weil du mich weckst! Und weißt du was? Nimm den alten Wecker. Ich werde mir jetzt einen tollen neuen kaufen.“

Und tatsächlich gab es einen im Sonderangebot beim Kaffeegeschäft unseres Vertrauens, wohin mich mein Weg eh führte, weil Frau Klammerle gerade in die experimentelle Phase der Erprobung ihrer neuen Kaffeemaschine eingetreten ist und entsprechende Mengen an Bohnen verbraucht.

Nachdem ich die zwanzigseitige Bedienungsanleitung studiert hatte, fand ich tatsächlich auf der Rückseite meines neuen Weckers eng beieinander liegende klapprige Plastiktasten, mit denen ich nach einigen Fehlversuchen den Alarm programmieren konnte (Ich weiß noch immer nicht, was eigentlich eine „Snooze“-Funktion macht). Ich stellte ihn auf 06:00 Uhr morgens. Dieses Mal würde alles gut werden. Aufgeregt ging ich schon um 10:00 Uhr ins Bett, nachdem ich noch unbedingt einen Espresso aus dem wunderbaren Vollautomaten meiner Frau testen musste.

Irgendwann in der Nacht kratzte die Katze am Balkonfenster (ich weiß immer noch nicht, wie sie es jede Nacht schafft, da hoch zu kommen) und ich suchte mit müden Fingern nach meiner Neuerwerbung, fand den Lichtknopf, der sich als einziger oben am Gerät befindet. Ich öffnete die Augen ein wenig und drückte.

Eine grelle Lichtkaskade überflutete das Schlafzimmer; zwanzig Paparazzis fotografierten zugleich in das Schlafzimmer von Scarlett Johansson. Von außen musste es aussehen, als würde eine Blendgranate neben meinem Bett gezündet. Ich hatte ins Antlitz der Medusa geblickt, fiel versteinert zurück und kniff die Augen zusammen. Und dort, auf der Rückseite meiner Lider, konnte ich tatsächlich die Uhrzeit ablesen, als bunt leuchtendes Negativbild zwischen platzenden Plasmaringen: 02:53 Uhr! Frau Klammerle war nicht einmal wach geworden. Der geblendete Michael Strogoff tastete sich aus dem Bett und ließ die Katze herein, die ebenfalls recht desorientiert wirkte und über den Teppich stolperte, dann legte er sich wieder in seine Ruhestatt, nicht ohne sich dabei schmerzhaft das Schienbein am Holz des Futonbetts aufzuschlagen.
Und dann lag ich wach. Ich traute mich nicht mehr, noch einmal den Halogenstrahler an meiner Uhr einzuschalten, den ich morgen dem TSV Diedorf als Stadionflutlicht verkaufen werde. Ich starrte an die Decke, wo noch immer lustige Farbflecken tanzten. Offenbar wirkte jetzt die winzige Tasse Espresso…

Später schlief ich doch ein. Nein, meine Neuanschaffung, deren eigentliche Berufung es offenbar war, eine kleine Sonne zu imitieren, hatte nicht geläutet. Ihr Alarm funktionierte nicht, wahrscheinlich verbrauchte das Licht zuviel Strom. Mich weckte nicht der sanfte Alarm des Weckers meiner Frau, der einmal der meine gewesen war. Mit einer lässgen Handbewegung schaltete sie ihn aus und trat leise aus dem Zimmer, duschte und zog sich an. Das bekam ich aber alles nicht mit…

Dann bricht die Hölle los: Frau Klammerle hat unten in der Küche ihre neue Kaffeemaschine eingeschaltet. Sie rauscht, rattert, zermahlt, reinigt, heizt und plätschert, piepst und rülpst! Sie kocht, zittert, brüllt, dampft, stampft und zischt. Die Katze flüchtet unters Bett, Herr Klammer steht mit pochendem Herzschlag in seinem Bett.

Seitdem weckt mich jeden Mittwochmorgen der Vollautomat. Er ist zwar ein recht teurer Wecker, aber dafür bereitet er einen hervorragenden Kaffee!

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2 thoughts on “Der Freitagsaufreger (XVIII) – Das Lied des Weckers Teil 3”

  1. Gibt es eigentlich keinen schwäbischen morgendlichen Weckdienst? Oder einen Rentner in Ein-Euro-Beschäftigung, der das zuverlässig übernimmt?

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