Nikolaus Klammer Alltägliches,Aufreger,Leben,Literatur Der Freitagsaufreger (VII) – Der Urlaub 2013

Der Freitagsaufreger (VII) – Der Urlaub 2013

Die große Urlaubsdepression

Letztes Jahr konnte ich mit Frau Klammerle tatsächlich die Silberne Hochzeit feiern. Keine Sorge, ich habe nicht vor, schon wieder über mein Alter zu jammern; zudem waren diese Jahre an der Seite meiner lieben Frau glückliche und schöne, die im Nachhinein betrachtet wie ein Traum verflogen sind.*
Wir entschieden uns, uns für die jahrzehntelangen gemeinsamen Anstrengungen mit einer Reise nach New York zu belohnen. Im Lauf der Ehejahre war ein wenig Geld auf einem gemeinsamen Sparbuch angewachsen, an dem nun eifrig Steuern, Inflation, kalte Regression und ein lächerlich niedriger Zinssatz nagen. Im Frühjahr zerbrach dieser Traum gemeinsam mit meinem Backenzahn an einem harten Stück Brot. Der Selbstkostenanteil bei der Restauration der Zahnruine war ordentlich, bei dieser Gelegenheit durfte ich auch erfahren, ich sei „unterversichert“, da müsse man noch einmal miteinander reden.

Amerika war gestrichen.

Unser neuer, etwas billigerer Plan, wurde im regnerischen April ausgeheckt: Wir fliegen nach Irland, mieten uns eine Ferienwohnung an der Atlantikküste und machen mit einem Mietwagen Ausflüge und Kultur. Wir hatten bereits einen Flug gefunden und standen mit einem Vermieter in – in schlechtem Englisch geführten – Verhandlungen, da war der TÜV am Auto von Frau Klammerle fällig. Der alte Prüfer, ein ehemaliger Nachbar und Zweiter Bürgermeister des Ortes, winkte unsere Fahrzeuge immer lässig mit einem Augenzwinkern durch, aber im Herbst will er Erster Bürgermeister werden und sein Nachfolger beim TÜV ließ den Wagen wegen „erheblicher Mängel“ und einer „unsachgemäß angebrachten Vorderleuchte“ (mea culpa) durchfallen. Ein neues Auto musste her, das alte hatte plötzlich nur noch Schrottwert. Die Folge:

Irland war gestrichen.

Aber wir haben ja auch noch ein Auto, mit dem ich an jeden Tag 90 km in die unterbezahlte Arbeit fahre und Italien liegt so nah: Emilia Romagna, erneut die Toscana, das Piemont, mal wieder an den Lago oder vielleicht diesmal nach Sardinien? Der Ziele gibt es viele im Land, in dem die Zitronen blühen. Die Kosten für die Reparaturen an meinem Wagen, bei dem plötzlich auf der Autobahn eine Bremse blockierte und das elektronische Modul ausfiel, waren heftig, aber gerade noch bezahlbar. Dann kam der Sturm über mein Dorf und seither sind die drei alten Dachfenster undicht. Die Versicherung lächelte nur milde bei der Anfrage, ob sie das bezahlen möchte. Und überhaupt, ich sei „unterversichert“, da müsse man noch einmal reden. Neue Dachfenster:

Italien war gestrichen.

Also blieben uns launige Ausflüge ins schöne Allgäu, Radtouren rund um den Bodensee, Städtetouren, vielleicht mal in die pittoreske Ex-DDR, wohin es uns als Bayern noch nie gezogen. Wir freuten uns auf den Sommer – falls es mal aufhören sollte zu regnen. „Aber im August“, lässt sich plötzlich der jüngere Sohn vernehmen, „ziehe ich doch von zuhause aus. Ich bräuchte da vielleicht ein wenig Unterstützung…“ Da rief der ältere Sohn, der Herr Biologiestudent, an: Er hätte die einmalige Chance, im Herbst Ferien in Chile zu machen. Er benötige nur noch jemanden (wen wohl?), der den Flug und vielleicht die Unterkunft bezahle. Ach ja, sein Staubsauger sei kaputt und er könne es sich nicht leisten, seine Bachelorarbeit drucken zu lassen, das sei unheimlich dringend. Und überhaupt, in diesem Monat sei es schon arg eng… Daher:

Ausflüge sind gestrichen.

 Wir werden den Urlaub zu Hause verbringen; im Bett liegen und nur wenige Kalorien verbrauchen, damit wir Nahrung sparen können. Das bringt vielleicht auch neuen Schwung in unsere fünfundzwanzig alte Ehe…

 ————–

* Wichtige Regel für eine gute Beziehung (eine Abwandlung der Pacalschen Wette): Schmeichle deine Frau, wann immer es geht, weil der Erwartungswert des Gewinns, der durch das Loben der Frau erreicht werden kann, stets größer ist als der Erwartungswert im Falle des Nichtlobens.

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