Felix J. Palma
Die Landkarte der Zeit
Der in sich abgeschlossene erste Teil der “Landkarten”-Trilogie des spanischen Autors ist trotz gelegentlichen Leerlaufs, der einen strengeren Lektor erfordert hätte, ein Fest für alle, die mit roten Ohren unter der Bettdecke lesend von den Vätern der SF und der Phantastik sozialisiert wurden: Jules Verne, Henry Rider Haggard, Bram Stoker oder schließlich H. G. Wells, der in diesem umfangreichen Roman über mehr oder weniger eingebildete Zeitreisen und ihre Paradoxe die Hauptrolle spielt.
Der Autor hat seine Vorbilder und die Verfilmung der “Zeitmaschine” von 1960 mit Rod Taylor in der Hauptrolle genau studiert, dazu ein wenig Steampunk, “The importance of being earnest”, Jack the Ripper, den Elefantenmenschen und viel angelesenes Wikipedia-Halbwissen miteinander verquirlt – und trotzdem ist ein durchaus bekömmlicher, lesenswerter Cocktail entstanden. Aber ihm das vorzuwerfen, hieße im Glashaus Steine zu werfen…
Kindler 2010
(Eine Remitte bei Jokers)
Der Historiker verfolgt mit eleganter Feder die prekären Lebensläufe einiger fast vergessener Radikalaufklärer und Autoren wie Denis Diderot, Baron d’Holbach oder Friedrich Grimm, deren bekanntestes gemeinsames Werk die französische Encyclopédie ist.
Blum weiß viel pikanten Klatsch und Anekdotisches über seine Protagonisten zu berichten und man erfährt Fundiertes über die aus verständlichen Gründen meist anonym veröffentlichten und heute nur noch Spezialisten bekannten philosophischen Werke dieser revolutionären und meist wütend atheistischen Denker und Proto-Kommunisten. Kürzere Schlaglichter fallen auch auf die Besucher von Holbachs Salon wie Benjamin Franklin, d’Alembert, Galiani, David Hume und ein besonders grelles auf Rousseau, der als der klinische Fall eines Psychoten geschildert wird und ordentlich sein Fett abbekommt, meist maliziös herablassend nur ‘Jean-Jacques’ genannt wird. Gerade diese viel zu ausführliche Rousseau-Schelte kommt nach all den Lobeshymnen zu seinem 300. Geburtstag etwas zu überspitzt herbei.
In diesem Zusammenhang sei auch auf das nahe verwandte Buch “Rousseaus Hund” von David Edmonds und John Eidinow (DVA 2008) über das Zerwürfnis zwischen Hume und dem Genfer Philosophen hingewiesen, das noch polemischer auf Rousseaus menschlichen Mängeln herumreitet.
dtv 2010
(ab und an kaufe ich mir auch ein Vollpreis-Buch)
…apropos Wells: Obwohl man den englischen Autor eher im 19. Jahrhundert verorten würde, ist er erst 1946 gestorben und sein umfangreiches Werk damit noch nicht gemeinfrei. Wells hat übrigens auch viele interessante, im englischen Sprachraum vielgelesene Non-SF-Romane und historische und soziologische Fachbücher geschrieben, die man auf Deutsch allerdings nur schwer findet.
Egon Friedells († 1938) geniale Fortsetzung “Die Rückkehr der Zeitmaschine” ist jedoch als E-Book gratis erhältlich und zusammen mit seiner “Kulturgeschichte der Neuzeit” das wohl heute noch lesenswerteste Buch des österreichischen Allround-Genies, das ähnlich wie Stefan Zweig an der Barbarei der Nazis verzweifelte und den Freitod suchte.
2 Antworten auf „Wochenlese 27. Mai – 02. Juni 2013“
[…] ein Buch ist wie das andere. ‘Die Landkarte des Himmels’ ist geringfügig dicker als ‘Die Landkarte der Zeit’, aber sonst ist es ‘the same procedure’. Wer also mit einer langweiligen […]
[…] * Wen das alles näher interessiert, den verweise ich auf das Buch Böse Philosophen von von Philip Blom und meine Kritik desselben in den Wochenlesen. […]