Nikolaus Klammer Alltägliches,Über den Tellerrand,Leben,Literatur,meine weiteren Werke Die 10 Gebote für den erfolgreichen Schriftsteller

Die 10 Gebote für den erfolgreichen Schriftsteller

(Nicht unbedingt neu, aber der Vollständigkeit halber hier einfügt und um Erläuterungen für etwas einfachere Geister ergänzt)

1. Du sollst nur von dir schreiben, aber keiner darf es merken.
Dies ist die erste und damit die wichtigste Regel: Schreibe nur von den Dingen, von denen du etwas verstehst, also von dir selbst. „Wer versteht die Welt?“ fragt Novalis und gibt als Antwort: „Nur, wer sich selbst versteht.“ Moderner ausgedrückt klingt das dann so:
Moderator: „Sie schreiben, so scheint es, am liebsten über sich selbst.“
Stuckrad-Barre: „Entschuldigung, aber über wen denn bitte sonst?“

2. Gib niemals zu, dass du nur von dir schreibst.
Wir beide wissen es: es gibt nichts Interessanteres als dich und dein Wohlbefinden; wenn du aber willst, dass du auch gelesen wirst, rede dem Leser ein, dass du über ihn geschrieben hast. Ein erfolgreiches Beispiel ist der Steppenwolf von Hesse: Ein uninteressanter Mensch berichtet larmoyant uninteressante Dinge aus seinem uninteressanten Leben, doch jeder picklige 16-jährige identifiziert sich mit Harry und sucht vergeblich den roten Faden in seinem Leben.

3. Du sollst ein Wohlstandsleben führen.
Um einen Satz von Charles Ives abzuwandeln: „Ich liebe die Literatur viel zu sehr, um sie zu meinem Lebensunterhalt zu machen.“ Das Zeitalter des Hungerkünstlers ist vorbei. Tu dir und den anderen den Gefallen und richte dich bequem in deinem Leben ein. Dass ein leidender Autor besser schreibt als ein satter, ist ein böswilliges Gerücht, das der Pfahlbürger ausgestreut hat, um billig an Literatur zu gelangen. Glaube es nicht!
Natürlich impliziert diese Regel, dass du neben dem Schreiben noch einem Brotberuf nachgehen musst. Dieser sollte nach Möglichkeit überhaupt nichts mit deiner Leidenschaft für das Wort zu tun haben, denn nur so kannst du dich rein halten. Mach es wie Kafka und all die anderen verkrachten Künstlernaturen: Werde Angestellter oder am besten Lehrer: Du hast viel Freizeit und kein Beruf stellt dich sicherer, zugleich macht er dich ebenso zynisch wie ein leerer Magen.

4. Du sollst regelmäßig Caféhäuser besuchen.
Natürlich fragst du dich jetzt, wo du denn dann deine Anregungen finden sollst, wenn deine Verdauung, dein Berufs- und dein Geschlechtsleben dem 3. Gebot gehorchend in Ordnung gebracht sind. Ganz einfach: Klemme dir deine randlose, runde Brille mit dem Fensterglas auf die Nase, setze dich in eine gesicherte Ecke des Cafés deines Vertrauens, lasse dich vom Kellner so fürsorglich bedienen, als wäre er Krankenpfleger und du Patient. Und dann tu so, als würdest du lesen. Nimm aber nichts Literarisches in die Hand, sondern etwas verstiegen Philosophisches. Hegel vielleicht, aber besser die zweite Reihe –  Fries oder Nelson wären zu empfehlen, da kommt keiner auf die Idee, mitreden zu wollen und zudem geben dir die beiden nebenher genug Argumente und wirre Floskeln in die Hand, um das 9. Gebot zu erfüllen.
In Wirklichkeit aber höre und beobachte. In den Cafés findet heute das Welttheater statt. Alles beginnt und alles endet in einem Café.
Außerdem ist es dort warm.

5. Du sollst keine Gedichte schreiben!
Diese Regel gilt selbstverständlich nicht für Poeten, obgleich ich Lichtenberg zustimme, dass bei den meisten Menschen das Versemachen eine Entwicklungskrankheit ist und die Welt um einiges schöner wäre, wenn nicht jeder Amateurdichter den Bodensatz seiner Liebesqualen vor dem Publikum auskotzen würde.
Der Versuch eines Prosaautors jedoch, zu diesem überflüssigen und anachronistischen Wortgeklingel etwas beizutragen, muss zwangsläufig in die Hose gehen und zu Peinlichkeiten führen (siehe z. B.: Brecht, Grass oder Härtling, im 19. Jhd.  Storm oder Keller). Das gilt auch umgekehrt für die Dichter (Kunert, Fried, Gernhardt), die die Prosa vergewaltigen.
Also bleibe bei deinen Leisten und schreibe nur Gedichte, wenn du kleine Mädchen um den Finger wickeln willst.

6. Lies niemals aus deinen eigenen Werken vor.
Glaube mir, du bist nicht Jandl. Du hörst dich zwar gerne reden, aber da du bist auch der Einzige. Die beste Methode, seine Literatur zu töten, ist es, sie selbst laut vorzutragen. Eigentlich müsste man dem Publikum für diese Zumutungen Geld bezahlen. Wenn du eine Lesung veranstalten willst, schicke einen Strohmann; es gibt genug verkrachte und billig zu habende Schauspieler, die deine Texte tausendmal besser vorlesen können als du.

7. Sei neidisch!
Der Neid ist mithin die ehrlichste und älteste Gefühlsregung des Menschen. Er allein schuf die Kultur.
Muss ich hier wirklich noch etwas erläutern? Das Licht eines Autors strahlt um so heller, je stärker das Licht der Konkurrenz abgedunkelt wird. Ein Autor ist des anderen Wolf.

8. Lies nicht deine Zeitgenossen.
Nichts verdirbt mehr den guten Stil, als ihn mit dem der Konkurrenz zu vergleichen. Es heißt, man solle tausend Bücher gelesen haben, bevor man selbst eines schreiben könne. Fall darauf nicht herein, denn glaube mir, je mehr du liest, um so schwerer wird es dir fallen, selbst noch eine Zeile aufs Papier zu bringen. Jeder Buchstabe wird dir dann wie Umweltverschmutzung erscheinen.
Wenn du also schon unbedingt lesen musst, dann gehe mindestens einhundert Jahre zurück.

9. Benutze kein deutsches Wort, wenn es dafür ein schönes Fremdwort gibt.
Die besten Wörter sind die, die sich vom Griechischen ableiten. Als Autor (oder Lehrer, Politiker, Journalist; die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen) sollte man zu jedem Thema etwas sagen können, das zumindest intelligent klingt. Beispiel gefällig?
„Durch unsachgemäße Effination des opromatischen Flip-Flops ergibt sich auf Grund der desutativen Fluxation des elementar-hypostatischen Taxio-Feldes während des Inputs beim Übergang in das Higgs-Teilchenfeld ein lethales psantylo-septisches Redundanzquariantum in der Interdependenz der approximativen Ferrumbasis des DDR-RAM-Bereichs ihres PC’s. Hierfür kann keine Garantie übernommen werden.“
Wenn du solche Sätze noch nicht aus dem Handgelenk schütteln kannst, dann gehe bei den SF-Autoren in die Schule.

10. Zweifle an allem.
Wenn du mir schon nicht glaubst, so höre auf Decartes: „Da wir als Kinder geboren werden und von den sinnlichen Dingen mancherlei geurtheilt, noch ehe wir den vollen Gebrauch unserer Vernunft hatten, so werden wir durch viele Vorurtheile von der Erkenntniß des Wahren abgewendet. Diese Vorurtheile können wir, so scheint es, nur los werden, wenn wir einmal im Leben geflissentlich an Allem zweifeln, worin sich auch nur der kleinste Verdacht der Unsicherheit findet.“ Dies gilt auch für diese Gebote und natürlich für den Zweifel selbst.
Wenn du mir nachfolgen willst, so folge mir nicht nach. Amen.

…wird fortgesetzt mit den 10 Regeln, wie man ein Buch nicht schreibt, es aber gut verkaufen kann (siehe auch: Helmut Kohl, Dieter Bohlen, Justin Biber, etc.).

12 thoughts on “Die 10 Gebote für den erfolgreichen Schriftsteller”

  1. Reblogged this on Wortwelten und kommentierte:
    Ich habe mich köstlich amüsiert beim Lesen. Allerdings muss man sagen, die 10 Regeln haben ihren Nutzen. Da kann man nicht meckern.

  2. Schließe mich der Meinung des Wortmanns an. Nur wie kann Mann diese Regeln sich selbst und eventuell dem nicht geneigten Leser als verbindlich erklären?

  3. @ Wortman: Ich danke für das Lob. Es gibt übrigens noch weitere Regeln für den Erfolg, ich erinnere nur an Regel 14: „Wenn dir nichts einfällt, dann klau‘ etwas Gutes. Es ist besser, wenn du Gelungenes gut nachahmst, als wenn du etwas Schlechtes neu erfindest (siehe Thomas Mann oder Shakespeare).“
    @ HDH: Regel 264: „Du sollst keine Esel brechen!“

  4. Manchmal bleibt dem armen Autor auch nichts anderes übrig…
    Alles war schon mal da, es gibt ja doch nichts Neues unter der Sonne. Hat nicht Jorge Luis Borges gesagt, dass es in der Literatur nur drei Themen gebe, nämlich Krieg, Tod und Liebe? Wenn das stimmt, kommt nach Gilgamesch und Ilias nichts Interessantes mehr.
    Ich jedenfalls habe das meiste bei Balzac eklektiziert (Ha! Dass ich dieses Verb mal benutzen kann! – Regel Nr. 9).

  5. *grinz* schönes Verb 😉

    Im Grunde ist schon alles erzählt. Es gibt keine wirklich neuen Geschichten bzw, Ideen. Da muss ich dir Recht geben.
    Allerdings gibt es immer mal wieder Autoren, die ein altes Thema wirklich gut neu inszenieren.

  6. Aufgrund einer Nachfrage, die ich per E-Mail von einem Follower erhielt, noch eine Ergänzung. Einer meiner Lehrer behauptete einmal, die 11. Regel hieße: „Du sollst nicht kopieren deines Banknachbarn Lösungen!“, aber das ist Unfug.
    Wahr ist, dass die 11. Regel lautet, dass es keine 11. Regel gibt. Denn 11 Gebote machen keinen Sinn. Elf ist außer beim Fußball eine Unzahl.
    Die 12. Regel für Autoren ist leicht veraltet, sie stammt von Thomas Mann: Ein Schriftsteller soll nicht nur jederzeit so seriös wirken wie ein Bankier, er soll sich auch so kleiden. Die Autoren haben sich häufiger an diese Regel gehalten als die Bankiers.

  7. In meinen Unterlagen fand ich noch die 72. Regel:
    72. Lass deine Jugendsünden, wo sie hingehören: In der Schublade.
    Das gilt auch für Werke, an denen bereits der Altersschwachsinn nagt, für Gedichte allgemein, für tagebuchartiges Befindlichkeitsgejammere, larmoyante Selbstbeweihräucherung und anderes, unoriginelles wie Manifeste, philosophische Wiedergängereien, Kritik im Allgemeinen, und so weiter und so fort… Also eigentlich für alles, was du so schreibst. Lass es einfach.

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